"FIZZ ..."

der kurze Sommer der gedruckten Anarchie - oder die Notwendigkeit klandestiner Zeitungen

Wir wollen mit diesem Portrait einer "unkonventionellen" Zeitung für einen "unkonventionellen" Zeitungsmarkt an unseren Beitrag zum "Konzept klandestiner Zeitung" aus der "radikal" 163 (Sommer 2010) anknüpfen. Wir haben uns vorgenommen, nach Möglichkeit in jeder Ausgabe der "radikal" eine "Untergrund-Postille" vorzustellen, die (Teile) der Politik der revolutionären Linken beeinflusst, wenn nicht gar inhaltlich-praktisch bestimmt hat.

Unsere Wahl fällt heute auf ein "kunterbuntes Blatt", das im wortwörtlichen Sinne eine bombige Geräuschkulisse akustisch vorbereitet: "FIZZ ..." Der Zischlaut "FIZZ ..." kommt, so die Legende, von der runden Bombe mit funkensprühender Lunte, die gerade den Wurfarm einer düsteren Gestalt verlässt. Klar, und nach dem "FIZZ ..." kommt das "KAWUMM!" Aber genug der Comic-Sprache an dieser Stelle.

Zeitungsartikel sind in der Regel nicht grundlos gewählt; so auch hier: die "FIZZ" darf als das Blatt der revolutionären Linken Anfang der 70er Jahre gelten, in dem am direktesten zur praktischen Umsetzung der "revolutionären Kriegswissenschaft" (Johann Most) in der Form des Aufbaus einer Stadtguerilla in der BRD durch entsprechende Textbeiträge animiert wurde. Die "FIZZ" ist zudem als "inoffizielles Organ" der Polit-Scene anzusehen, die als "Blues" bezeichnet wird.

Bevor wir dazu übergehen werden, wollen wir an die Anfänge der linksradikalen Untergrundpresse im Zuge der studentischen und jung-proletarischen Revolte von 1967/68 erinnern. Außerdem halten wir es für angezeigt, ein klein wenig auf den historischen Zusammenhang zu verweisen, ohne den u.a. spezielle Presseerzeugnisse nur schwer einzuordnen sein werden.

Zum Abschluss dieses Beitrags zum "Blues"-Blatt "FIZZ" werden wir einige Ausführungen zur aktualisierten Notwendigkeit klandestin organisierter Zeitungsprojekte machen. Denn nicht zuletzt die regelmäßigen Razzien gegen Verkaufsstellen, in denen u.a. die "radikal" oder "Interim" unter der Ladentheke erhältlich sein sollten, wirft die Frage nach der sicheren Herstellung und Verbreitung zensurfreier und unkontrollierter "Postillen" neu auf.

Zum Einstieg: Underground-Zeitungen seit Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre

"Wir schrieben für das 'Dritte Berlin', das der Revolte. Wir hatten eine lebendige, eine militante, organisierende Presse, die zunehmend illegalisiert wurde. Sie war in der Lage zu mobilisieren, also gefährlich, also zu verbieten. Also authentische 'Undergroundpresse', echter 'Samisdat'. Die Verfolgung dieser Presse nahm zaristische, oft gar faschistische Züge an. Wir lachten darüber. Die Zeitungen hießen 'linkeck', 'Charlie Kaputt', 'Oberbaumblatt', '883' und 'FIZZ'. Wer wissen will, was an Theorie und Praxis der antiautoritären Neuen Linken in Westberlin lief, wird nicht umhin kommen, sich in Büchereien Exemplare dieser Zeitungen zu besorgen. Sie spiegeln jene Jahre - 1966 bis 1972 - deutlicher und ehrlicher als die meisten damals entstandenen Bücher".

Diese Zeilen stammen von Peter Paul Zahl, die er im Vorwort seines Bandes "Waffe der Kritik". Aufsätze-Artikel-Kritiken (1976) vorrausschickte. Auf den "Vorkämpfer der Undergroundpress", Peter Paul Zahl, werden wir in dem folgenden Beitrag regelmäßig zu sprechen kommen. Gut, lasst uns einfach beginnen ...

Die "FIZZ" stand nicht am Anfang eines untergründigen Blätterwaldes, sondern markiert eher den Beginn einer publizistischen Zuspitzung - vor allem auch einer thematischen Zuspitzung. Aber bevor wir hierzu näher kommen werden, wollen wir mit euch einen recht eiligen Durchlauf durch diesen Blätterwald unternehmen, der die eine oder andere Verästelung aufweist.

Das Zentrum der linksradikalen Untergrundpresse war das damalige Westberlin mit seinen politischen und subkulturellen Ausläufern, die nach dem Höhepunkt der 68er-Revolte reichhaltig wie unübersichtlich waren. Dementsprechend differenzierte sich auch das mediale und publizistische Angebot aus. "Spartenblätter" bzw. "Zentralorgane" von Mini-KPs überschwemmten die linken Buchläden der Stadt. Keine Gruppierung oder Strömung, die nicht versuchte, ein Sprachrohr zu gründen und bedeutungsvoll in die (Gegen-)Öffentlichkeit zu schieben. Das ging mit Konkurrenzgehabe und Eifersüchteleien einzelner Zeitungen einher, denn die avantgardistische Spitzenposition lässt sich halt nur einmal besetzen.

Wir lassen hier die Vielzahl von Blättchen und Zirkularen der entstehenden K-Grüppchen links liegen und wenden uns jenen Zeitungen zu, die aus Kreisen des Teils der revolutionären Linken kamen, die offen die mehr oder weniger organisierte Militanz propagierten oder den Beginn des bewaffneten Kampfes in der BRD publizistisch begleiteten. "Linkeck" machte dabei den schwungvollen Auftakt. Dieses Blatt mit dem vielsagenden Untertitel "Underground Zeitung Berlin" gilt als erste "antiautoritäre Zeitung", die im Februar 1967 mit der ersten Nummer an den Start ging. "Linkeck", das bewußte politische Gegenstück zum "Rechtseck", brachte es bis 1969 auf insgesamt 10 Ausgaben. Als Herausgeber firmierte die sog. Linkeck-Kommune um den späteren Verleger Bernd Kramer (Karin Kramer Verlag). "Linkeck" stand für das typische 68er-Flair von "Sex & Crime". In der "Linkeck" artikulierten sich erstmals konzentriert Stimmen gegen das "seichte APO-Geschwätz" und "das literarische Verhältnis zur Gewalt a la Kommune I". Deutlich fallen bspw. die Töne in der 6. Nummer der "Linkeck" aus: "Dem 'funktionellen Justizterror' (Gottschalch) kann wirksam nur der individuelle Terror entgegengesetzt werden; kleine Gruppen, die die 'proletarische Gewalt' anwenden; d.h. 'Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft' (...) Hören wir doch endlich auf, die Defensivtaktik soweit zu verinnerlichen, dass wir nicht mal mehr in der Lage sind, Polizisten mit Steinen zu bombardieren, Pferdeställe, Gerichtsgebäude, Privatwohnungen von Staatsanwälten und Richtern anzuzünden. Werden wir Brandstifter und Pioniere für eine andere Gesellschaft. Also ran an die Faschisten!" In der gleichen Nummer wird die Herstellung und Verwendung eines Molotow-Cocktails beschrieben. Auch ein Hinweis zur Dosierung fehlt nicht: "Nie eine einzelne Flasche werfen! Brandflaschen immer in Serie von 10 bis 15 Stück gegen das gleiche Ziel einsetzen!" Offenbar wurde sachlichschlicht nach dem probaten chemischen Rezept "Viel hilft viel!" herumgetestet.

Befremdlich wirken vor allem die pornografischen Darstellungen, die mehrere "Linkeck"-Ausgaben zieren. Diese zur Schau gestellte "Unzucht" sollte auch das eine oder ander Ermittlungsverfahren der Westberliner Staatsanwaltschaft nach sich ziehen.

Symptomatisch für das Ende von "Linkeck" war, dass die Einstellung dieses Blatts einher ging mit der Auflösung der lebensweltlichen und politischen Zusammenhänge, aus denen heraus "Linkeck" entstanden war. D.h. die Existenz bzw. Nicht-Existenz politischer Projekte waren in der sich als undogmalisch gebenden Linken wesentlich von dem inneren Zustand des jeweiligen Ausschnitts des (subkulturellen) Milieus beeinflusst, wenn nicht gar bestimmt. Stimmt's in den "zwischenmenschlichen und genossenschaftlichen Beziehungen" nicht, dann stimmen auch die Polit-Projekte, die aus jenen entwickelt wurden, nicht mehr.

Als Ableger von "Linkeck" wurden Ende 1968/ Anfang 1969 vier Nummern von "Charlie Kaputt!" durch die sog. Potskommune herausgebracht. Die relevanteste Zeitung der radikalisierten Protestkultur nach '68 war zweifelsohne die "Agit 883", die nach den Anfangsziffern der Telefonnummer der ursprünglichen Redaktionsräume in der Charlottenburger Uhlandstrasse benannt wurde. Zur "Agit 883" ist im Jahr 2006 ein umfangreicher Band herausgebracht worden, so dass wir uns hier auf einige wenige Sätze zu diesem "publizistischen Produkt" beschränken wollen. (vgl. rotaprint 25 (Hrsg.): agit 883. Bewegung. Revolte. Underground in Westberlin 1969 - 1972)

Die "Agit 883" war die mit Abstand am längsten existierende "Underground"-Zeitung der damaligen Zeit, die zudem über einen bundesweiten Einfluss im "undogmatischen" Spektrum der revolutionären Linken verfügte. Aufgrund dessen wurde sogar überlegt, ob die "883" nciht die Funktion eines "Zentralorgans" für die "undogmatische" radikale Linke übernehmen könnte. Von Februar 1969 bis Februar 1972 konnten 88 Ausgaben erstellt und vertrieben werden. Die Besonderheit der "883" liegt auch darin, dass es zum einen lokale Wiederbelebungsversuche dieses Blatts in Bremen, Hannover und Mainz gab. Zum anderen wurden viele Jahre später anlassbezogen einzelne "883" herausgegeben. So gab es bspw. 1983 eine durchaus umstrittene Schwerpunktnummer (Nr. 90) zu dem Haupttheoretiker der Freiwirtschaftslehre, Silvio Gesell, dem "Marx der Anarchisten".

Die "883" begleitete literarisch und handlungsanleitend die Höhen und Tiefen der beginnenden "undogmatischen" revolutionären Linken nach dem 68er-Aufbruch und war gleichzeitig das publizistische Spiegelbild dieser Bewegungsverläufe. Demnach fanden die damals geführten Diskussionen und Orientierungen ihren gedruckten Niederschlag. Die Entwicklung einer studentischen und jung-proletarischen Protestkultur zu einer revolutionären Widerstandsbewegung, die u.a. damit verknüpfte Frage organisierter Militanz und des bewaffneten Kampfes in den Metropolen, antiimperialistische Solidarität, politische Gefangene etc. hatten in der "883" ihren festen Platz.

Die Themen- und Meinungsvielfalt barg allerdings Konfliktstoff, der sich innerredaktionell entlud. Das Personalkarussell der "883"-Redaktion drehte sich munter, was sich unter anderem in den wechselnden Untertiteln ("Zeitschrif/Flugschrift für Agitation und sozialistische Praxis", "Kampfblatt der kommunistischen Rebellen", "Revolutionäre Aktion") ausdrückte. Von "internen Putschen" und dem "Klau der Adresskartei war da die Rede. Ein Ergebnis der internen Auseinandersetzungen war das Ausscheiden der sog. Stadtguerilla-Fraktion um Peter Paul Zahl und die Gründung der "FIZZ", nach dem in der "883" unter dem Titel "Leninisten mit Knarre" das Projekt der entstehenden RAF attackiert wurde.

Wir haben eben einige Vorläufer der "FIZZ" kurz porträtiert. Wir wollen nun ein Zeitungsbeispiel angeben, das nach der "FIZZ" eine gewisse Bedeutung erlangte. In der Auftaktnummer von "Hundert Blumen", eines der Nachfolgeprodukte (andere nannten sich "Berliner Anzünder" oder "Bambule") der eingestellten "FIZZ", heißt es zur publizistischen Motivation des herausgebenden Kollektivs: "Wenn wir in der 'Hundert Blumen' bestimmte Vorstellungen von politischen Aktionen vertreten, Aktionen an denen wir uns selber beteiligen und deren gemeinsamer Charakter darin liegt, daß sie lustvoll sein sollten für die Beteiligten, dann deswegen, weil wir davon überzeugt sind, daß man die Leute nur dann dazu bekommt, sich an einer Sache zu beteiligen, wenn das Mitmachen mehr Spaß macht als das Zuschauen". Die Bildung des "Hundert Blumen"-Kollektivs war eine Reaktion auf die zunehmende "ideologische Verhärtung", die insbesondere in den ML-Blättern und den Gazetten der AnhängerInnen des bewaffneten Kampfes in der organisatorischen Form einer Stadtguerilla gesehen wurde. In Bezug auf die "FIZZ" kritisieren die MacherInnen von "Hundert Blumen", dass der (vollmundig) propagierten Militanz keine konkretisierten Initiativen folgen würden: "In Westberlin hat es bis vor kurzem mehr oder weniger lesenswerte Zeitungen gegeben, die von Linken gemacht wurden: Hochschulkampf, 883, Fizz (...) Fizz, gemacht von friedlichen, lieben Typen, wollte die Bewegung dadurch retten, indem sie den bewaffneten Kampf, den militanten Angriff gegen den Staatsapparat als das wirksamste Mittel ausgab, grössere Gruppen von Jugendlichen zu politisieren. Da sie aber keine derartigen Aktionen initiierten, wurden sie mit der Zeit unglaubwürdig".

Der Zeitungsname "Hundert Blumen" leitet sich übrigens von einem Mao-Zitat ab: "Lasst Hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern". Aber auch diese "Post-APO"-Zeitung blühte nur von August 1972 bis zum Oktober 1973. Immerhin konnten als "Ernte" zehn Ausgaben und drei Sondernummern eingefahren werden.

Alle der hier aufgeführten "Postillen" waren mit einer zum Teil massiven Kriminalisierung konfrontiert. Razzien, Beschlagnahme von Exemplaren inkriminierter Zeitungen oder Einrichtungsgegenständen der Druckereien waren Ergebnisse der repressiven Behördenwillkür. Zudem wurden Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung von staatlichen und kirchlichen Amtsträgern oder des Aufrufs zu "strafbaren Handlungen" gegen einzelne Personen eingeleitet. Diese strafrechltichen Konsequenzen waren eine quasi alltägliche Begleiterscheinung der redaktionellen Tätigkeit. Mitunter waren die in den Blättern enthaltenen Provokationen mit Kalkül gewählt, um den eigenen Aufmerksamkeitsgrad zu erhöhen - was auch regelmäßig gelang.

Hiermit wollen wir unseren kleinen Überblick über die "Untergrundpresse" in der Zeit der Außerparlamentarischen Opposition (APO) und der anschließenden politisch-ideologischen Fraktionierungen in sog. undogmatische und sog. dogmatische Flügel der revolutionären Linken vor allem in Westberlin beenden. Eventuell werden wir in den kommenden Ausgaben auf die eine oder andere der hier erwähnten "Postillen" gesondert zurückkommen.

Zur Rolle: "FIZZ" im Underground-Blätterwald

Die "FIZZ" ist gern als "authentisches" Organ des Westberliner "Blues" apostrophiert worden. Eine Zuschreibung, die nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Hierzu kommen wir allerdings etwas später, wenn wir ein paar- Stichpunkte zu den Entstehungshintergründen und Wirkungsweisen der bluesigen "umherschweifenden Haschrebellen", aus deren Mitte sich die im Januar 1972 gegründete Bewegung 2. Juni herausbilden sollte, liefern.

Die staatliche Repression war von Beginn an die ständige Begleiterin der "FIZZ". Von den 10 erschienenen Ausgaben sollten 9 durch staatsanwaltschaftliche Verfügungen aus dem Verkehr gezogen werden. Bei der einen Ausgabe, die ohne Beschlagnahmebeschluss blieb, war, so die spöttische Auslegung, offenbar der Diensthabende im Uriaub.

In der zweiten Nummer heißt es in der Editorial-Notiz: "Die erste Nummer hat eingeschlagen wie 'ne Bombe". Damit war vor allem die sofort einsetzende Aktivität der Westberliner Staatsanwaltschaft gemeint. Besserung wurde gelobt, um im selben Atemzug einen Gang höher zuschalten: "Wir werden nie mehr dem CSU-Lustmolch Strauß die Arme und Beine zu einem Hakenkreuz umbiegen, sondern wir nehmen uns vor, ihm den Hals nach hinten zu drehen". Und trotzig wird Kontinuität angekündigt: "Unsere Redaktionspolitik wird sich nicht ändern".

Es lässt sich nicht ganz verhehlen, dass es möglicherweise für die "FIZZ"-MacherInnen als "Negativ-Auszeichnung" verstanden wurde, einer Kriminalisierung u.a. durch die Konfiszierung der Ausgaben zu unterliegen. Darin besteht selbstredend das Problem, seine "politische Gefährlichkeit" direkt aus den Angriffen der staatlichen Repressionsbehörden abzuleiten.

Die "FIZZ" ist deutlich bemüht, gegenüber der wesentlich etablierteren "Agit 883" bzw. der "883 - Revolutionäre Aktion" einen eigenen unverkennbaren Ausdruck zu vermitteln, um darüber letztlich die Abspaltung zu legitimieren. Dabei wird als (stilistisches) Abgrenzungsmittel vor allem eingesetzt, die Rolle des publizistischen Multiplikators der Stadtguerillapolitik für sich zu reklamieren. Zusätzlich mögen persönlich-politische Animositäten zwischen einzelnen MacherInnen der "883" dazu beigetragen haben, dass es zu einem innerredaktionellen Bruch kommen musste. Moniert wird bspw. in dem Text "Thesen zum Konzept Stadtguerilla" ("FIZZ", Nr. 10), zu dem wir weiter unten ausführlicher kommen werden, dass der Vorwurf des sog. Voluntarismus gegenüber der "FIZZ" die "Papierkorbrevoluzzer vom 'Roten Morgen' bis zur 'Revolutionären Aktion (vormals: 883) eint". Außerdem kennzeichne die "'Revolutionäre Aktion' (vormals: 883) eine unnachvollziehbare Inkonsequenz hinsichtlich der "Einsicht in die Notwendigkeit einer militärischen Organisation": Während die Bewaffnungsfrage in Chile durch den leninistischen MIR (Bewegung der revolutionären Linken) bejaht wird, wird sie für die BRD "durch die als '1eninistisch' geschmähte RAF" verneint.

Wie dem auch sei, schauen wir uns das inhaltliche Profil der "FIZZ" etwas näher an, mit dem sich dieses Blatt von den anderen z.T. parallel existierenden abzuheben versuchte. Dabei sollte der ungetrübte Blick ins Blatt aufschlussreich sein. Stark sticht dabei der thematische Bezug zum "radikalen Amerika" ins Auge. (Auf die in der "FIZZ" prägnant geführte Diskussion um die Voraussetzung und Praxis des bewaffneten Kampfes in der BRD und Westberlin gehen wir in einem gesonderten Kapitel weiter unten ein) Auffallend ist hierbei die ausdrückliche Anlehnung an die politisierten subkulturellen Milieus und revolutionären Organisationen in den USA. Die radikalisierte Black Power-Bewegunq ist ebenso stark päsent wie der weiße antiimperialistische Widerstand bspw. der sog. Weathermen bzw. der Weather Underground Organization (WUO). In diesen z.T. stark subkulturell geprägten emanzipatorischen Bewegungen sahen die "FIZZ"-MacherInnen offenbar das entsprechende Gegenstück zur hiesigen Entfaltung der "Blues"-Szene ...

Wir werden in diesem Text weder auf den schwarzen Befreiungskampf gegen den weißen Rassismus und die kapitalistisch-imperialistische Vormachtstellung der US-Administration eingehen, noch haben wir hier den Raum, um uns den Weathermen oder der Symbionese Liberation Army (SLA) zuzuwenden. Zum einen haben wir bereits in unserer ersten Nummer der "Tarnkappen"-radikal (161) einen Beitrag zu den Weathermen vorgelegt, zum anderen kann auf mehrere neuere deutschsprachige Lektüren verwiesen werden: Albert Scharenberg: Schwarzer Nationalismus (2001); Bill Ayers: Flüchtige Tage. Erinnerungen aus dem Weather Underground (2010); Ron Jacobs: Woher der Wind weht. Eine Geschichte des Weather Underground (1999).

Wir wollen ein anderes Schlaglicht der US-amerikanischen Protestkultur, die in direkter Folge während und nach dem 68er Aufbruch zum manifesten Widerstand wurde, setzen. Wir wollen über die sog. Yippies reden, deren Ansätze eine teils breite Präsenz in einzelnen "FIZZ"-Ausgaben hatten.

Jerry Rubin gilt als "Ikone" der Jugendrevolte der sog. Yippie-Bewegung in den USA Mitte/Ende der 60er Jahre des vorherigen Jahrhunderts. Mit seinem Bestseller "Do it! Scenarios für die Revolution" (1970) fesselte er geradezu eine ganze Generation von AnhängerInnen einer subkulturell geprägten Polit-Szene. Rubin war als sog. Outside-Agitator im Umfeld der University of California unterwegs und bewarb sich gar für das Amt des Bürgermeisters von Berkley. Zusammen u.a. mit Abbie Hoffmann kreierte Rubin eine Verschmelzung der Subkultur der Hippie-Bewegung mit Strömungen der Neuen Linken in den USA, die wie in Westeuropa aus dem 68er-Aufbruch hervorgegangen waren. Zur "Yippie"-Bewegung.

Jerry Rubin u.a. organisierten im August 1968 während des Parteitags der Demokraten in Chicago eine Protstdemonstation. Sie handelten sich für ihr couragiertes Vorgehen eine Anklage wegen "Konspiration" und des Versuchs, den Parteitag der Demokraten zu sabotieren, ein. Mit dem anfänglichen Rebellentum der Yippies und dem Mythos der Non-Konformität (Unangepasstheit) brach Rubin selbst, als er Ende der 70er Jahre einen liberalen Präsidentschaftskandidaten, George McGovern, unterstützte.

Aber zurück zu seinem "epochalem Werk". In diesem collagenartigen Band "Do it!" Scenarios für die Revolution" wird die neu entstandene Yippie-Bewegung quasi porträtiert: "Wie wird man ein Yippie?"; diese Ausgangsfrage der Selbstdefinition bleibt nicht unbeantwortet: "Wir waren unheimlich high und daher in der Lage, dem Problem logisch beizukommen: Es ist eine youth revolution, die Revolution der Jugend. Gib mir 'n 'Y'. Es ist eine internationale Revolution. Gib mir 'n 'I'. Die Leute, die daran beteiligt sind, suchen Sinn, Spaß, Rausch - kurz das, was wir eine Party nennen. Gib mir 'n 'P'. Und was ist das? Youth International Party. Paul Krassner sprang auf die Füße und rief: 'Yippie! Wir sind Yippies!'. Eine Bewegung war geboren".

In dem Nachfolgebuch "We are every where!" (1971) von Jerry Rubin, das auf seinen Tagebuchaufzeichnungen während einer 60tägigen Haft basiert, wird der Gründungshintergrund der Yippies recht plastisch erzählt: "Als im Dezember 1967 Yippie gegründet wurde, war es als Mythos, Kriegsgeschrei und Organisation gedacht, die Youth International Party. Eines Tages, so träumten wir, würde der Mythos wachsen und wachsen, bis es Millionen von Yippies gibt und die werden dann eine locker organisierte Partei schaffen. 1970 waren die Yippies überall. YIP ist eine lose Konföderation von den 'Crazies'. Bald wird es Yippies und die Youth Internationa Party überall in der westlichen Welt geben. Yippies verändern sich, wie die Realität sich verändert. Im Sommer 1970 wurde Yippie von den Yippie Frauen übernommen, die uns direkt mit dem männlichen Chauvinismus der Hippie-Yippie-Bewegung konfrontierten".

Die Bewegung der Yippies proklamierte die Autonomie der revoltierenden Jugend gegen das erwachsene US-Establishment, eine antiautoritäre Lebensweise, die das herkömmliche Erziehungswesen und die starren heterosexistischen Familienstrukturen auflösen, zerstören wollte.

Der Konsum von "bewusstseinserweiternden" Rauschmitteln war hier ein wichtiges Moment der gesuchten Grenzerfahrung und gewollten Grenzüberschreitung. Diese zunächst unterschwellig sich bewegenden Yippies sind sozusagen der Vorbote einer sich bahnbrechenden Widerstandskultur, die in ihrem Umwälzungsgedanken total ist. Mit voller Selbstüberzeugung wird erklärt, dass ein "neuer Mensch" das kommende revolutionäre Subjekt bilden wird: "Die Revolution wird kommen, wenn es nur noch einen Menschentyp gibt: den Yippie."

Folgerichtig kann es auch keine "SympathisantInnen-Szene" der Yippies geben: "Einen Yippie-Anhänger gibt es nicht. Es gibt 646,5 Millionen Arten von Yippies, und laut Definition ist ein Yippie immer ein Führer. Yippies sind Führer ohne Gefolgsleute. Yippies tun, was immer sie tun wollen und wann immer sie es tun wollen. Yippies wissen, daß sie normal sind und alle übrigen verrückt. Deshalb nennen wir uns die 'Verrückten'. Yippies sagen: wenn's keinen Spaß macht, dann tu's nicht. Wir betrachten Sex, Beat und Drogen als Teil eines kommunistischen Plans zur Eroberung Arnerikas (...) Für ein Yippie ist Spaß der Sturz der Regierung. Yippies sind Maoisten".

Die ideologische Standortfindung im Maoismus überrascht nach allem, was wir aus der Yippie-Bewegung zitieren konnten, doch sehr. Auch hier scheint vor allem der gepflegte spielerische Umgang mit Ideologieprodukten unternommen zu werden.

Allerdings finden sich in dem erwähnten Nachfolgebuch "We are every where!" von Jerry Rubin einige Passagen, die man als inhaltlich und organisatorische Konzeption der Yippie-Bewegung lesen und sehen kann: "Wir brauchen nationale Koordinations- und Informationszentren, damit die regionalen Gebiete Kontakt miteinander halten können, um nationale kommunistische ökonomische Einrichtungen aufzubauen, um Buttons, Poster und nationale Symbole zu produzieren, um koordiniert den psychodelischen Kapitalismus, wie den Woodstock-Film, anzugreifen, um einen P1atz zu schaffen, wo die Organisatoren kommunizieren können, um die Energie der Yippies zu sammeln und sie in organisierte Macht zu verwandeln, um naitonale Demonstrationen und Kongresse zu organisieren, um die Partei und die Nation in Beziehungen zu den Panthers, Kubanern und Viet-Cong zu repräsentieren, um direkt (...) mit all den Kindern zu kommunizieren, die nicht immer zu Hause, oder in ihren Schulen, Gefängnissen und Irrenhäusern gefangen gehalten werden, um den Mythos zu verbreiten, um gegen harte Drogen zu kämpfen, um befreite Wohngebiete aufzubauen, um eine nationale Untergrund-Zeitung herauszubringen".

Politische Ernsthaftikeit und die Leichtigkeit der politischen Betätigung sollen in den sozialen Beziehungen der Yippies zusammengehen: "Irgendwo zwiscäen der Superdisziplin der White Panther und dem Chaos der Yippies, sollten wir ein Gleichgewicht finden, nicht in der Theorie, sondern in der Praxis. Um zu überlegen, müssen wir zusammen kommen (...) Fraktionskämpfe verschwenden unsere Energie. Unsere Organisation sollte auf Kommunen und Kollektiven basieren".

Bei der Yippie-Bewegung in den USA finden sich verschiedene Anklänge aus dem französischen "Situationismus" und "Subrealismus" wieder, wenn es heißt: "Yippies - der Name einer Nicht-Organisation, einer nicht politischen Partei - der Youth International Party. Zugleich der Name des Akteurs innerhalb der Partei! Und der Schlachtruf: YIPPIE!"

Mit viel Text versucht Rubin die Verbindung zwischen einem pazifistischen Verständnis, einem betonter auftretenden revolutionären Antimilitarismus und einer militanten bzw. bewaffneten Variante revolutionärer Gewalt innerhalb der universellen Yippie-Bewegung herzustellen: "Voll Hoffnung werden in der YIP Pazifisten, White-Panther und Weatherpeople zusammenarbeiten. In einer Revolution sollte es keinen Konflikt zwischen kämpferischer Gewaltlosigkeit und bewaffnetem Kampf geben, das effektivste wird sich selbst als moralisch und politisch richtig erweisen. Die militanten Revolutionäre werden nur erfolgreich sein, wenn sie wie die Fische im Meer sind. Dies wird sie in der Wahl ihrer Mittel leiten und sie moralisch akzeptabel für Pazifisten machen".

Dabei streicht er heraus, dass "die Militanten ihre Taktik mit dem Kampf und dem Bewusstsein aller Jugendlichen abstimmen (müssen). Die revolutionäre Moral erfordert, dass man aus der Defensive heraus angreift - nicht aus der Offensive - bei dem heutigen Bewusstsein der Leute. Mackerhafte Gewalt ist eine große Bedrohung für die Zukunft der Bewegung. Genauso wie der Tu-gar-nichts-Pazifismus. Konfrontierender Pazifismus und symbolische revolutionäre Gewalt sind unsere revolutionäre Taktik".

Diese taktischen Mittel und Formen fundamental-oppositionellen Widerstands gehen nicht nur "Hand in Hand", dass was "eine revolutionäre Aktion auszeichnet, ist die Konfrontation (...) Das Ziel eines revolutionären Saboteurs ist es, Bomben zu legen, und dann die Liberalen davon zu überzeugen, dass sie diese Aktionen verteidigen müssen". Damit ein Akt revolutionärer Gewalt massentauglich ist, muss jener "symbolisch sein und die Unterstützung der 'gewaltlosen' Massen finden. Gebäude zu sprengen, ohne dass Leute getötet werden, ist ein Beispiel revolutionärer Gewalt."

Und bei den Weathermen sah Rubin diese Verbindung zur sympathisierenden Basis aufgrund ihrer quasi abgehobenen Sabotageaktionen unterbrochen: "Einige Leute haben eine beschissene Beziehung zu den Weatherpeople. Revolution wird ein Zuschauersport. Das Volk lehnt sich zurück und fragt sich, was die Weatherleute als nächstes in die Luft sprengen werden. Die Weatherleute werden Super-Helden, Athleten und Mythen ausserhalb der Reichweite der Leute".

Im westlichen Europa können die "Indiani metropolitani", die "Großstadtindianer" in den Straßenzügen der italienischen Industriezentren Turin und Mailand als eine Art Ableger der US-amerikanischen "Yippies" betrachtet werden. Aber das wäre ein Extra-Kapitel ...

Zum Abschluss dieses Kapitels ein wenig Statistik: Von den zehn erschienen Ausgaben der "FIZZ" wurden allein neun durch Verbotsverfügungen kriminalisiert und infolge von Razzien bspw. in der (vermuteten) Druckerei eingezogen. Sarkastisch heißt es hinsichtlich der einzigen Ausnahme des behördlichen Einzugs einer Ausgabe im Vorwort des "FIZZ"-Reprints, dass "das wohl das Versehen einer Urlaubsvertretung (war)". Diesen "Sachverhalt" hatten wir bereits weiter oben erwähnt.

Allein sieben der zehn "FIZZ"-Nummern sind im Sommermonat August 1971 ans Tageslicht gekommen. Ein kurzer Sommer der gedruckten Anarchie, wie wir es treffend in unserer Überschrift formuliert haben. Danach gab es nur noch 3mal eine Neuauflage der "FIZZ" - im Januar 1972 war dann Schluss mit diesen durch die Druckerpresse gezogenen "Sprengsätzen".

Apropos "Sprengsätze". In der "FIZZ" findet sich in loser Serie die Rubrik "Heimwerkertips". Die "FIZZ" befindet sich hier in bester Gesellschaft. Bereits in der "Linkeck" können wir den einen oder anderen Hinweis "angewandter Militanz" finden. In der "FIZZ" wird der gesamte Sortimentskasten von Handlungsanleitungen ausgepackt: von der Herstellung sog. Krähenfüße über den Bau eines Molotow-Cocktails und gebastelten, elektronischen zeitverzögernden Brandsätzen bis zur Handhabung von Schusswaffen.

Zur Person: Peter Paul Zahl (PPZ)

Der 1944 in Freiburg/Breisgau geborene Peter Paul Zahl war gelernter Drucker. Parallel schlug er sich als dichternder Schriftsteller in der Westberliner Polit-Scene durch. Sein bekanntester, im Knast geschriebener Roman "Die Glücklichen" (1979) hat Teile der Generation der sog. undogmatischen Linken in der Aufbruch- wie Abfallstimmung der Endsiebziger geprägt. In einem 1994 in der BRD geführten Interview geht er kurz auf seinen Polit-Background ein: "Ich gehörte zum Sympathisantensumpf der Bewegung 2. Juni", viele vom '2. Juni' waren meine Freunde."

Gehen wir zu seinem Druckerjob über: Er ist der Gestalter eines Plakats für die "Agit 883", das bis zum heutigen Tage vielleicht vielen Interessierten noch bekannt ist. Es handelt sich dabei um ein Plakat, das mit "Freiheit für alle Gefangenen" aufmacht und mit dem gleichzeitig zur internationalitischen Solidarisierung mit revolutionären Organisationen und Befreiungsbewegungen (PAIGC, Vietcong, MIR, Tupamaros, Weathermen, Black Panther etc.) mobilisiert werden sollte. Dafür gab's übrigens einen Strafbefehl. Das Westberliner Landgericht verurteilte Zahl im April 1972 "wegen Aufforderung zu strafbaren Handlungen" zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Zum eigentlichen "Politikum" wurde PPZ, wie er sich in Kurzform nannte, infolge eines Gerichtsurteils von 1974, das zwei Jahre später in eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren revidiert wird. Hierzu holen wir kur aus. Mitte März 1976 wurde PPZ von einem Düsseldorfer Schwurgericht nach zehntägigem Revisionsverfahren zu fünfzehn Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Die Anklage lautete auf "zweifachen Mordversuch in Tateinheit mit besonders schwerem Widerstand." Diese Verurteilung von 15 Jahren Knast stellt die "Obergrenze für eine zeitige Freiheitsstrafe" dar, liegt also knapp unterhalb einer "lebenslänglichen Freiheitsstrafe" von mindestens 15 Jahren Haftzeit. In einer Neuauflage des Verfahrens wurde der sog. juristische Ermessensspielraum genutzt, denn für dasselbe "Delikt" wurde PPZ in erster Instanz für vier Jahre verknackt. Damals wegen "gefährlicher Körperverletzung und Widerstands".

Hintergrund dieses politischen Gesinnungsprozesses war, dass sich PPZ im Dezember 1972 einer Kontrolle durch Zivilbeamte infolge eines Schusswechsels entziehen wollte. PPZ gab insgesamt vier Schüsse ab, dabei wurde ein Beamter schwer verletzt. PPZ wurde ebenfalls durch Schüsse in die Arme verletzt und festgenommen. PPZ wollte bei einer Autovermietung mit einem gefälschten Reisepass ein Fahrzeug anmieten. Bei einer Überprüfung des von PPZ gewählten Alias-Namen durch den Autovermieter, flog der "Schwindel" auf und als PPZ den Wagen abholen wollte, warteten bereits Bullen auf ihn. Die staatlichen Verfolgungsbehörden gingen davon aus, dass PPZ zu dieser Zeit als illegaler Aktivist mit dem Aufbau einer "Roten Ruhrarmee", die sich aus GenossInnen und SympathisantInnen der Bewegung 2. Juni zusammensetzte bzw. zusammensetzen sollte, in Nordrhein-westfalen beschäftigt war.

Das anschließende prozessuale Prozedere und das revidierte Strafmaß nimmt PPZ in einem Gedicht selbstironisch-süffisant auf die Schippe: "am 24. mai 1974 verurteilte mich das volk - drei richter und sechs geschworene - zu vier jahren freiheitsentzug. am 12. märz 1976 verurteilte mich das volk - nach der reform nur noch drei richter und zwei geschworene - in gleicher sache zu fünfzehn jahren freiheitsentzug. ich finde das sollen die völker unter sich ausmachen und mich da rauslassen".

In seinem Schlußwort vor Gericht im März 1976 führt er zum elend oft gebrauchten Schlagwort der "Gewalt" aus: "Die Herrschenden wissen, dass die Gegengewalt, die von den Unterdrückten und Ausgebeuteten, den Erniedrigten und Beleidigten gegen all diese Gewalt ausgeübt wird, nur ein 'Reflex objektiver Probleme' ist, wie der Chef des BKA, Herold, selber sagte. Nur eine Antwort auf die ständige Gewalt eines von Gewalt delirierenden Systems und der 'Sonnenfinsternis der Konjunktur'. Dies System kann und will die objektiven Probleme nicht beseitigen. Schmidt kann das nicht, so wie Hitler das nicht konnte. Die Strategie lautet dann: Verpolizeilichung der Politik".

Aus dem westfälischen Knast Werl ist Peter Paul Zahl durchweg als politischer Publizist aktiv. So liefert er ein Nachwort zu einem kleinen Band zum Gefängnismassaker in Attica im Staat New York im September 1971. Bei dieser viertägigen Gefangenenrevolte und anschließenden Erstürmung kamen 43 Menschen ums Leben. Wie sich später aufgrund von Recherchen herausstellte, wurden die sechs toten Knastwärter von Kugeln des Erstürmungskommandos tödlich getroffen. In diesem Band unter dem Titel "Attica. Entstehung, Verlauf und blutige Zerschlagung einer Gefangenenrevolte" von dem Sprecher des Aufstands, Richard X. Clark, schreibt PPZ zum Klassencharakter des Knastregimes: "Sinn des Zuchthaussystems ist das Zuchthaussystem. Das Zuchthaussystem ist - menschlich und logisch betrachtet - sinnlos. Ein Atavismus. In hundert Jahren werden wir das Zuchthaussystem als besonders abscheuliches Typikum der Vorgeschichte ansehen, dem Kannibalismus vergleichbar. Das Zuchthaussystem bringt das Klassensystem auf den Begriff. Die Unten sind im Zuchthaus. Die Oben stecken sie hinein. Die im Zuchthaus sitzen, sind die Nigger des Systems. Nicht nur in Attica. In jedem Zuchthaus der Welt".

Ein kurzes Schlusswort: PPZ war für seine zeitgenössischen GenossInnen kein einfacher Charakter, oft wurde über ihn von einigen seiner ehemaligen MitkämpferInnen - berechtigt oder nicht - negativ geurteilt. Wir lassen in diesem Zusammenhang beiseite, ob die "Freundschaft" von (vielen) ehemaligen Mitgliedern des "2. Juni", die PPZ im oben angeführten Interview-Auszug erwähnt, geteilt wurde.

PPZ verstarb im Januar 2011 auf Jamaika.

Zum Schwerpunkt: "PR-Blättchen" für den bewaffneten Kampf?

Bis zur Zweistelligkeit hat es die "FIZZ" hinsichtlich der erschienenen Ausgaben geschafft, zu mehr aber auch nicht. Jedoch fanden immerhin zehn Nummern der literarischen Einstimmung des Versuchs der organisatorischen Umsetzung einer Stadtguerillapolitik in der Metropole ihre Verbreitung.

In verschiedenen "FIZZ"-Ausgaben finden sich explizit Beiträge, in denen die Stadtguerillapolitik in ihren Grundzügen vor dem Hintergrund der Bedingungen in der BRD und Westberlin diskutierbar gemacht werden sollte. Dies geschah sozusagen in Serie, denn in den Nummern 4, 5 und 10 ging es um den organisatorischen Aufbau und politisch-militärischen Auftakt einer Stadtguerilla. Den Beginn in der vierten "FIZZ"-Ausgabe machte ein Text unter dem Titel "Die RAF und wir. Für den Aufbau der Stadtguerilla". In diesem wird nach einer Einleitung in Stichpunkten das "Konzept Stadtguerilla" der RAF vom April 1971 wiedergegeben. Bereits in den einleitenden Worten wird sich ausdrücklich positiv auf das Projekt RAF bezogen und gegen die vielfache Distanzierung der sog. Neuen Linken Stellung bezogen. "Der einzige Mangel", so die "FIZZ", "der dem Papier anhaftet (...) ist sein eher defensiver Charakter - was sich nach dem Verhalten größter Teile der Linken aber durchaus verstehen läßt - und teilweise das Fehlen einer sozio-ökonomischen Analyse". Beu der Mängelbeseitigung will die "FIZZ" tatkräftig helfen. Vollmundig heißt es: "FIZZ (...) entwickelt in dieser und den nächsten Nummern die Theorie von der Notwendigkeit der Stadtguerilla, gestützt auf sozio-ökonomische Analysen des Spätkapitalismus".

Der erste Beitrag, der "die Theorie von der Notwendigkeit der Stadtguerilla" einleiten soll, führt den Titel "Stadtguerilla hier & jetzt und warum? 1. Teil". Der zweite Teil folgte in der Folgenummer der "FIZZ", der fünften Ausgabe. Danach schloss bis zur letzten Nummer kein weiterer Beitrag direkt an die beiden vorherigen an. Das mag sowohl mit den redaktionsinternen Veränderungen als auch mit der Schwierigkeit der inhaltlichen Textumsetzung zu tun haben. Der dritte Beitrag dieser, nennen wir es einmal Trilogie, erschien dann unter der Unterschrift "Thesen zum Konzept Stadtguerilla" in der zehnten und letzten "FIZZ"-Nummer. Die Ankündigung "wird fortgesetzt" musste allein aufgrund der Einstellung der "FIZZ" uneingelöst bleiben.

Grundsätzlich wird im ersten Teil von "Stadtguerilla hier & jetzt und warum? angeführt, dass "die beste Art, sich mit der Roten Armee Fraktion zu solidarisieren, die (ist), sie solidarisch zu kritisieren, um für die eigene Praxis aus ihren Fehlern zu lernen". Die RAF "funktioniert" hierbei als erstes beispielgebendes Projekt einer Konzeption einer Stadtguerilla, die sich in der unmittelbaren Umsetzung befand. Dabei sind verständlicherweise einige Unwegbarkeiten und Fallstricke aufgetaucht: "Ein Jahr Praxis hat sie von vielem Wunschdenken befreit, hat vieles klargestellt, hat Vor- und Nachteile des bewaffneten illegalen Kampfes anschaulicher dargestellt als die Papierberge, die die neue, reformistische Linke produziert, sie hätte darstellen können".

Kritisch solidarisch wird darüber hinaus geäußert, dass der Auftakt der Metropolenguerilla in der BRD "zu spektakulär betrieben" wurde. In anderen Ländern, vor allem werden Beispiele aus Südamerika (Uruguay, Brasilien) erwähnt, spielte sich die organisatorische und logistische Vorbereitungsphase des organisierten bewaffneten Kampfes bewusst "im Dunkeln" ab. Die Auffüllung der "Kriegskasse" mittels Enteignungen und Umverteilungen wurde eher "kriminellen Kreisen" zugeschrieben, als dass mit diesen Taten die Vorboten der Guerilla in den städtischen Zentren verbunden wurden.

Wie im einleitenden Text wird hier als "Hauptfehler" benannt, dass die (studentischen und parteiorganisatorische) Linke in der BRD insgesamt falsch beurteilt wurde, was deren potentiell positive Aufnahme des Aufbaus der Stadtguerilla angeht. Zudem arbeiten Teile der Linken der präventiven Konterrevolution in der Form in die Hände, als sie durch ihre Distanzierungen den von den repressiven Staatsapparaten geforderten "klaren Trennungsstrich" mitziehen.

Klar ist auch, dass Appelle und Petitionen gegen die staatliche Repression als politische Waffe stumpf bleiben müssen, da allein die Existenz einer Stadtguerilla die Grundlage des verstaatlichten Gewaltmonopols untergräbt. Der Klassenkampf von oben ist "natürlicherweise" gegen fundamental-oppositionelle Aufbrüche gerichtet. Die repressiven und ideologischen Staatsapparate marschieren auf, um "auftragsgemäß" bspw. mit Hilfe von Justizbehörden das Projekt Stadtguerilla zu liquidieren. Dagegen ist unter den Bedingungen von Klasse gegen Klasse eine Stärkung der Strukturen der revolutionären Linken angezeigt.

Vor allem ist auch gegen die innerlinken Querelen vorzugehen: "Es ist müßig zu klären, ob das Konzept Stadtguerilla eher marxistisch-leninistisch oder eher blanquistisch-anarchistisch sei. DIE PRAXIS SELBST IST DAS PRIMAT - und scheißt auf die 'Reinheit der Lehre'".

Die Frage nach der "Legalität und Illegalität" im Rahmen der Politik der revolutionären Linken ist dann richtig gestellt, wenn sie als eine Machtfrage begriffen wird. Zudem, so die AutorInnen dieses Textes, "(muß) das Verhältnis zur Illegalität allen Revolutionären eine Selbst-Verständlichkeit sein". Allerdings soll die Illegalität, oder besser Illegalisierung, nicht vom Klassenfeind bestimmt werden. Einer erzwungenen Illegalität / Illegalisierung bspw. infolge eines Repressionsschlages kann nur dadurch begegnet werden, "indem man (rechtzeitig) einen Untergrund organisiert, der dem Zugriff der Polizei entzogen bleibt". Dieser erste Teil des Textes schließt mit dem Postulat: "Stadtguerilla ist eine Waffe im Klassenkampf!"

Der in der fünften Nummer der "FIZZ" folgende zweite Teil von "Stadtguerilla hier & jetzt und warum?" schließt im ersten Unterabschnitt an dieses Postulat unmittelbar an; es geht um die Verbindungslinien des politischen und militärischen Kampfes. So heißt es zum Abschluss unter der Zwischenüberschrift "Verbindung des politischen Kampfes mit dem militärischen": "Die proletarische Alternative muss von Beginn an politisch-militärisch sein - DER BEWAFFNETE KAMPF IST DER HAUPTWEG DER KLASSENKÄMPFE."

Diese kategorisch gesetzte These wird zuvor erläutert. Im Gegensatz zu vorangegangenen Phasen des Imperialismus zu Zeiten der II. (1889-1914) und III. Internationale (1919-1943) war die historische Aufgabe des Proletariats das Aufzeigen der Möglichkeiten einer sozialen Revolution, die noch nicht grundlegend eine militärische war. Zu jener Zeit "(war) die richtige Stunde dafür" die Niederlage einer oder mehrerer bürgerlicher Armeen im Krieg zwischen verfeindeten imperialistischen Staaten und der daraus resultierende innerstaatliche Kollaps. Aufgrund der "friedlichen Koexistenz", die bereits während der sog. Blockkonfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt praktiziert wurde, wurden maximal "Stellvertreterkriege" in den drei Kontinenten Afrika, Lateinamerika und Asien geführt, die einen heißen Krieg zwischen den USA und der UdSSR verhinderten und den Konflikt auf Nebenkriegsschauplätze auslagerten. "Als grundlegende Konsequenz", so die "FIZZ"-Autorinnen, "wird es niemals wieder Kriege zwischen diesen Imperialisten geben, wie 1914-1918 oder 1939-1945. Es ist deshalb keine spontane Zerstörung der Unterdrückungsapparate der kapitalistischen Staaten zu erwarten, nur noch die Zerstörung, die direkt durch die revolutionäre Volksarmee hervorgerufen wird. Vor der Vereinigung des Weltkapitalismus hatte das Proletariat noch die Möglichkeit, sich gleichsam ohne Waffen zu bewaffnen, sich zuerst politisch zu organisieren, bis zu einem gewissen Punkt den politischen Kampf und nicht die bewaffnete Gewalt zu entwickeln, um endlich vom gesellschaftlichen und politischen Verfall der herrschenden Klassen ihrer Länder zu profitieren, sich zu bewaffnen und die Macht zu erobern".

Als Beispiele hierfür werden die Pariser Kommune 1871, die russische Oktoberrevolution 1917, die Räterepublik-Bewegungen im nach-wilhelminischen Deutschland und im nach-habsburgerischen Ungarn 1918/1919, die chinesische Revolution in den 40er Jahren und der Partisanenkampf des besetzen Jugoslawiens 1942 bis 1945 genannt.

In dem Unterabschnitt "Der Kampf gegen den Staat" wird sich an einer Skizze des Charakters der "parlamentarischen Massendemokratie" versucht. Ein wesentlicher Charakterzug dieses Modells des Klassenstaats drückt sich demnach dann aus, dass sich für das Proletariat formalrechtliche Freiheit und politische Gleichheit mit sozialer und ökonomischer Unfreiheit paart. Außerdem verschieben sich die Elemtente der sog. Gewaltenteilung (Exekutive, Legislative und Judikative). Die Exekutive, d.h. die gesetzesausführende Organe des kapitalistischen Klassenstaats mit ihrem vielarmigen Verwaltungspparat übernehmen mehr und mehr Funktionen. "Ermächtigungs-, Ausnahme- oder Notstandsgesetze übertragen im Riesenmaße die Gesetzgebung auf die Verwaltung. Die Rahmengesetze legen nur die allgemeinen Richtlinien fest und überlassen die entscheidende konkrete Ausgestaltung der Ministerialbürokratie". Es bildet sich ein "Staatskapitalismus der Monopolbourgeoisie" heraus.

Gegen diese Entwicklung der Machtkonzentration innerhalb einer kapitalistischen Klassenstaats hilft keinerlei Verbalprotest. Mahnend und dick wird von den "FIZZ"-AutorInnen hervorgehoben, dass "das bloße Benennen von Widersprüchen aber nichts anderes (heißt), als wieder auf die bereits überwundene Ebene einer akademischen Aufklärung zurückzukehren!"

Nach diesen beiden aufeinander aufbauenden Beiträgen einer angekündigten Serie brach diese unerklärterweise ab, wie wir bereits weiter oben erwähnt haben.

Von den hier kurz besprochenen Texten ist der folgende derjenige, der am ausgereiftesten scheint, wenngleich dieser ebenfalls Stückwerk geblieben ist. Der Text "Thesen zum Konzept Stadtguerilla", der in der letzten "FIZZ"-Ausgabe, in der zehnten Nummer, erschieben ist, umfasst insgesamt sieben überschaubare Unterkapitel. Hier geht es um die Beziehung zwischen linken Basisstrukturen und der Metropolenguerilla, um das Verhältnis zwischen Avantgarde und Masse, um Gewalt und Psyche, um die Rolle der Intelligenz in der (revolutionären) Linken, um den oft gezückten Vorwurf des Subjektivismus und Voluntarismus und nicht zuletzt um die logistischen und organisatorischen Momente des Aufbaus einer "Armee des Volkes". Einige dieser kleinen Abschnitte wollen wir inhaltlich streifen.

Eingangs wird sich mit der wechselseitigen Beziehung zwischen der (Metropolen-)Guerilla und linken Basisbewegungen, die eine Ausstrahlungskraft in weite Bevölkerungskreise haben (müssen), beschäftigt. Hinsichtlich des Wechselverhältnisses zwischen linker (zumeist) legaler Basispolitik und illegaler/illegalisierter Stadtguerillapolitik setzen die "Thesen" einen klar definierten Ausgangspunkt: "Der bewaffnete Kampf ersetzt niemals die Arbeit an der Basis; der militärische Kampf erspart nicht die politische Arbeit. Zwischen beiden besteht vielmehr ein enger dialektischer Zusammenhang." Diese Aussage kann sicherlich als Allgemeinplatz gelesen werden, das macht sie allerdings nicht falsch. Denn es wird festgehalten, dass ein bewaffneter Kampf, der sich von seinem basalen Bezug abgelöst und faktisch verselbstständigt hat, in einer militärischen Falle enden muss. Auf diesen Punkt zielt folgende Aussage, wenn auf die "Synergieeffekte" einer wechselseitigen Politik verschiedener Widerstandsfelder der revolutionären Linken hingewiesen wird: "Die Stadtguerilla kann die Lücke zwischen Ziel und Möglichkeiten der Basisarbeit schließen. Auf der anderen Seite bewahrt die Basis die Stadtguerilla vor der Isolierung und der daraus folgenden Zerschlagung".

Die Wahl zwischen "legal" oder "illegal" obliegt nicht bei den revolutionären AktivistInnen. Diese Grenzziehung ist sozusagen Ansichtssache der öffentlichen VertreterInnen des verstaatlichten Gewaltmonopols. Die Grenzen sind mitunter variabel, unterliegen den potentiellen Verschiebungen der Kräfteverhältnisse innerhalb der ideologischen und repressiven Staatsapparate und sind nicht zuletzt simpler Ausdruck aktueller Definitionsmacht. Ganz richtig heißt es hierzu in den "Thesen": "Die Möglichkeit 'legal' oder 'illegal' zu arbeiten, können wir uns nicht aussuchen. Diese fiktive Grenze (...) wird nicht von uns bestimmt. Es ist die Spielregel des Kapitals, des Staates, der Polizei - wenn wir uns an die halten, dann können wir nicht gewinnen".

Zudem dokumentiert allein die Existenz der Stadtguerilla die offene Infragestellung des "staatlichen Gewaltanwendungsmonopols", sie wird somit zu einer permanenten Herausforderung zugleich für die ideologischen und repressiven Staatsapparate.

Und zur Ermutigung wird der historische Beweis angetreten, dass "alle Guerillabewegungen in der ganzen Welt militärisch belanglos begonnen (haben). Aber die Guerilla kann niemals besiegt werden, solange sie die Dialektik zwischen Armee und kämpfendem Teil des Volkes begreift und einhält".

Diskutiert wird gleich anschließend das Verhältnis zwischen Avantgarde und Masse, d.h. zwischen der bewaffnet-militärischen Aktion der Stadtguerilla und den Forderungen sowie Ausdrucksformen der politischen Massenbewegungen. Hierzu schreibt die "FIZZ": "Selbstverständlich ist die Stadtguerilla Avantgarde. Aber sie ist es nicht in dem Sinne, daß sie bestimmt: dieses ist die richtige Linie, sie sagt nicht: nur hier gehts lang - sie ist Avantgarde in dem Sinne, daß sie die von den Massen vertretenen Interessen politisch denkbar macht - und militärisch vertritt und verteidigt".

Die RAF wird von dem viel zitierten Vorwurf des "avantgardistischen Leninismus" von den "FIZZ"-Autoren in Schutz genommen. Dieser Vorwurf "verkommt zum inhaltslosen Schlagwort", wenn man die Praxis der RAF berücksichtigt. Das Avantgardistische der Praxis der Stadtguerilla kommt in einem Trotzki-Zitat zum Ausdruck, welches sich auf die Rolle der Roten Armee während des Bürgerkriegs in jugen Räte-Russland bezieht: "Unser einziges Privileg ist es, in der Schlacht die Ersten sein zu dürfen". Den GenossInnen der RAF kann demnach in dieser Hinsicht kein Vorhalt gemacht werden, denn, "wenn die Genossen der RAF dieses Privileg annehmen, wenn sie mit ihrem Leben die Probe aufs Exempel ihrer Theorie machen - dann hat niemand das Recht, sie zu kritisieren, schon gar nicht mit dem Vorwurf des "Avantgardismus".

In dem Abschnitt "Gewalt und Psyche" werden die gewalttätigen Mechanismen bloßgelegt, die die proletarischen Massen von Kindesbeinen an die bürgerlichen Wert- und Normensetzungen schmieden. Greifen und wirken diese Mechanismen der Durchsetzung dieser Normen nicht mehr, so "verlieren auch die Normen ihre Daseinsberechtigung". Diese Interpretation ist sicherlich zu schmalspurig, als dass sie der komplexen Realität des Erhalts eines kapitalistischen Klassenstaats voll entsprechen könnte, denn seit Antonio Gramsci kennen wir den ineinander verschränkten Zusammenhang von Konsensbildung und Zwangsmitteln. Wie dem auch sei: "Das Bewußtsein der Arbeiterklasse ist", so die "FIZZ", "also keine feste Größe. Es hängt im Gegenteil davon ab, wie stark oder schwach die momentane Situation des Kapitals und des Staates ist. Dieser Mechanismus - Aktion des Proletariats, Strafe durch den Herrschenden (Vater, Chef, Bulle, de Gaulle) - kann durch militärisches Intervenieren zerbrochen werden". Und hier tritt die Politik der metropolitanen Guerilla auf den Plan, denn "dies der Arbeiterklasse sichtbar zu machen, ist eine der Hauptaufgaben der Stadtguerilla. Es wird sichtbar durch Offensiven der Stadtguerilla, durch Siege und - vor allen Dingen - Kontinuität der Offensiven".

Die AutorInnen sehen des weiteren einige klassenspezifische Verschiebungen, die insbesondere das intellektuell-akademische Milieu betreffen. Diese als "Kleinbürger" titulierten "Intelligenzler" spielen in revolutionären Organisationen und Befreiungsbewegungen oft eine bedeutende Rolle. Und zwar nicht, um in erser Linie "Klassenverrat" zu begehen, sondern weil sie gleichfalls für ihre Interessen als Deklassierte und Marginalisierte kämpfen. "Der Unterschied zwischen einem Studenten in der Lernfabrik Uni und einem Lehrling in der Lehrwerkstatt ist ökonomisch gesehen beinahe verschwunden", so die "FIZZ"-Lesart über die "Auflösung der traditionellen Mittelschichten".

Neben der Einsicht in die Notwendigkeit einer fundamentalen Umwälzung der herrschenden Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse braucht es gleichfalls die Erfahrung der Möglichkeit einer sozialrevolutionären Entwicklung. Hier greift der "subjektive Faktor" ein, denn "das Warten auf die objektiven (ökonomischen) Voraussetzungen allein genügt nicht, auch nicht deren fleißiges Interpretieren". Von daher hält die "FIZZ"-Autorenschaft den beliebten "Vorwurf des Voluntarismus" für aus der Luft gegriffen. Dieser wird zu gern instrumentalisiert, um GenossInnen, die initiativ werden in die Seite zu fahren. Die "FIZZ" hält in ihren "Thesen zum Konzept Stadtguerilla" an der Beudeutung des tatkräftigen Willens im Rahmen einer konzipierten revolutionären Aktion fest und bedauert, dass "die Vorbereitung dieser Umwälzung, diese Einmischung in den Ablauf der Geschichte heute von kaum jemandem geleistet (wird)".

In dem Abschnitt "Armee des Volkes" wird ganz zurecht darauf verwiesen, dass die herrschenden Fraktionen von Staat und Kapital nicht ohne direkte Aufforderung in die Emigration ziehen werden. Ebenso geschichtsfest ist die Bemerkung, dass die Anwendung allein von okönomischen Kampfmitteln unzureichend ist: "Nicht die vielbesungene Waffe des Generalstreiks hat 1920 den Landschaftsdirektor Kapp aus dem Sattel gehoben, sondern die EINHEIT VON STREIK UND SIEGREICHER ROTER ARMEE!". Die Stadtguerilla wird hiernach zur Ausbilderin in Bezug auf die Bewaffnungsfrage und organisatorischer Ausgangspunkt der Herausbildung einer "Armee des Volkes": "Wer aber soll die Arbeiterklasse militärisch ausbilden , bewaffnen und ihr so unnütze Opfer ersparen, wenn nicht die Armee des Volkes. DER KEIM DER VOLKSARMEE ABER IST DIE STADTGUERILLA!"

Und mit einer weiteren Einschätzung hinsichtlich "revolutionärer Prävention" treffen die "Thesen"-AutorInnen ins Schwarze: "Die Erfahrungen, die die Genossen machen, die zur Zeit die Stadtguerilla aufbauen oder vorbereiten (u.a. die RAF), werden der Arbeiterklasse riesige Opfer ersparen - wenn sie gezwungen ist, offensiv gegen die Kapitalisten zu kämpfen. Das Studium der Walther PPK darf nicht erst beginnen, wenn Typen wie Strauß und seine Geldgeber geputscht haben!" Alles in allem wird die Stadtguerilla demnach zum Katalysator ab einem fortgeschrittenen Stadium eines "revolutionärem Aufbauprozesses" und zur Weichenstellerin in Richtung der direkten Konfrontation mit den ideologischen und repressiven Staatsapparaten.

Im letzten Abschnitt werden noch einige Worte an die KritikerInnen von finanziellen Enteignungs- und Beschaffungsaktionen gerichtet. Hervorgehoben wird, dass diese für die Reproduktion der illegalisierten AktivisInnen der Stadtguerilla benötigt werden, zur Unterstützung von legaler Basis- und Anti-Knastarbeit dienen sowie ein gutes militärisches Training darstellen.

Die erlernte Handhabung von Schußwaffen und praktische Kenntnisse des offensiven Gebrauchs derselben werden dringend empfohlen. Dabei ist die Maxime der "Verhältnismäßigkeit der Mittel" unbedingt zu beachten, zumal dies die Stadtguerilleros/-as von den Schergen der bewaffneten staatlichen Organe fundamental unterscheidet. Deshalb heißt es zum Textabschluss auch ohne Umschweife: "Auf keinen Fall
kann Offensivschießen bedeuten, daß harmlose Verkehrsbullen, Nachtwächter und andere Unterhelfershelfer des Systems aus den Stiefeln geschossen werden!"

Diese drei bzw. vier Texte zur Stadtguerillapolitik in der "FIZZ" scheinen so etwas wie eine Vorarbeit zum ausführlichen Beitrag "Massenkampf und Guerilla einen" zu sein, den Peter Paul Zahl während seines Prozess im Gerichtssaal vortrug. Hierzu mehr im folgenden Kapitelchen. Auch wenn sehr stark die Initiative der RAF supportet wurde, so war die Argumentation für den bewaffneten Kampf nach "Blues"-Art. Mit der Einschränkung, dass die Beiträge, die vermutlich alle aus der Feder von Peter Paul Zahl stammen, zum Teil äußerst verbalradikal und provokatorisch gehalten sind. Hierfür haben wir einige Beispiele angeführt.

Aus dem legendären "Blues" bzw. dem "Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen", eine satirische Spitze gegen Maos Kritik an der "Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen" im Rahmen eines antikolonialen und antifeudalen Partisanenkrieges, bildete sich im Verlauf der ersten beiden Jahre der 70er Jahre die zweite Stadtguerillagruppe in der BRD und Westberlin: Die Bewegung 2. Juni. (Wir wollen aber nicht auf die mitten in den Text gesetzte Fußnote verzichten und aus dem Mao-Text "Über die Berichtigung falscher Ansichten in der Partei" vom Dezember 1929 folgendes zitieren: "Da es in der Roten Armee eine große Zahl vagierender Elemente gibt und im ganzen Land, besonders in den südlichen Provinzen, große Massen solcher Elemente umherziehen, ist in der Roten Armee die politische Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen entstanden".) Die "Bewegung 2. Juni" setzte sich im Januar 1972 aus drei militanten Gruppierungen im inselartigen Westberlin zusammen. Im nordwest-deutschen Raum gab es einige wenige Ableger, die sich an der Konzeption der "Bewegung 2. Juni" orientierten, z.B. der Gruppenzusammenhang um die Kommune in der Wolfsburger Bäckergasse. (Den Versuch, Anfang der 70er Jahre eine "Rote Ruhrarmee" aufzubauen, tippten wir in dem gesonderten Kapitel zu Peter Paul Zahl an.)

Ein kleines Zwischenfazit: Der "FIZZ" kam aufgrund ihrer klaren Positionierung der Propagierung des Konzepts Stadtguerilla eine nicht zu unterschätzende Funktion hinsichtlich der "Popularisierung" des organisierten bewaffneten Kampfes in der BRD und Westberlin zu. Es ist ihr Verdienst, eine diesbezügliche thematische Schwerpunktsetzung vorgenommen zu haben, auch wenn die inhaltlich-praktische und logistisch-organisatorische Seite des Stadtguerillakonzepts in den Anfängen stecken geblieben ist. Nicht ganz unzutreffend ist in dieser Hinsicht die weiter oben erwähnte Kritik eines der "FIZZ"-Nachfolgeblätter, der "Hundert Blumen", dass die politische Unglaubwürdigkeit dann einsetzt, wenn den (markigen) Worten keine konkreten Taten folgen.

Einige Notizen zum Text "Massenkampf und Guerilla einen" von Peter Paul Zahl

"Massenkampf und Guerilla einen"; hierbei handelt es sich um eine Rede vor dem Berliner Kammergericht während seines Polit-Prozesses. Dieser Text kann, da wir ihn an dieser Stelle inhaltlich nur anreißen werden, im ersten Band von "Der Blues, Gesammelte Texte der Bewegung 2. Juni" nachgeschlagen und -gelesen werden. Dieser Beitrag von PPZ geht vertiefend auf konzeptionelle Überlegungen eines organisierten bewaffneten Kampfes ein, die in der "FIZZ" erschienen sind. Dieser Text schließt zwar nicht ausdrücklich an frühere "FIZZ"-Artikel an, allerdings können wir von einer Autorenidentität zwischen diesen und der schriftlich niedergelegten Prozessrede ausgehen. Entscheidender als die "Urheberschaft" von einzelnen Textbeiträgen ist natürlich die inhaltliche Stoßrichtung und Substanz derselben.

PPZ stellt eingangs seiner (Kurz-)Sicht nach fest, dass "wir in der Phase des wachsenden Volkswiderstandes (leben)". Im selben Atemzug widerspricht er der Entgegensetzung von Volkswiderstand und Guerillakrieg, denn Streiks, Häuserkampf und die Praxis der RAF lassen sich nicht auseinander dividieren. Zum Volkskrieg gehören demnach verschiedene Ebenen und Phasen. Integraler Teil ist dabei der proletarische Massenkampf, für den PPZ eine Art Checkliste formuliert: "Zum Volkskrieg gehört die städtische Massenfront, die öffentlich operiert, Demonstrationen, Streiks, Hausbesetzungen, Massenwiderstand hervorbringt. Flugblätter und demokratische Öffentlichkeit werden hergestellt, Erfahrungen werden in die Massen getragen, aus den Massen heraus allgemein entwickelt, Initiativen werden koordiniert, Genossen unterstützt. Selbsthilfeaktionen des proletarischen Lagers werden übernommen, angeregt und unterstützt, ihre Erfolge und Niederlagen werden analysiert und die neuen Erfahrungen gehen in neue Aktionen ein".

Wir können an dieser Stelle lediglich eine kleine Zwischenbemerkung einfließen lassen, eine zum Inhalt und Begriff von "Volkskrieg". Beides scheint uns bei PPZ ziemlich widersprüchlich zu sein. Aber lesen wir erst einmal selbst: "Das Subjekt des Volkskrieges ist immer das Volk, das proletarische Lager. Das Volk besteht eben nicht nur aus Guerilleros (...) Der Volkskrieg verlangt als Subjekt Angestellte und Rentner, Schüler und Arbeiter, Studenten und Militärs, Priester und Kleinhändler, Hausfrauen und Ingenieure". Es passt einfach nicht zusammen, wenn ein "plebejischer Volksbegriff", der also die proletarisierten Massen umfasst, mit einem klassenübergreifenden, national-demokratisierten Volksbegriff zusammengewürfelt wird. Mit erstem erklären wir uns gerne einverstanden, mit dem zweiten verbinden wir eine starke Tendenz zur Klassenversöhnung und zum Burgfrieden wie er in national-bolschewistischen Argumentationen anzutreffen ist. Ja, und mit diesen können und wollen wir nichts anfangen. Wir werden einige Zeilen weiter unten dieses Kapitels sehen, dass PPZ in seinem Beitrag mit begrifflichen Vermengungen hantiert, die mehr Schwierigkeiten als Klarheiten hervorbringen.

Aber zurück zum Punkt vor unserer Zwischenbemerkung. Der repressive Kontrollblick der Staatsbürokratie fällt immer dann auf die Aktivitäten der Massenfront, wenn die proletarische Selbstemanzipation "staatsgefährdend" wird. Der vormals reglementierte legale Aktionsradius der Massenfront wird dann zusehends eingeengt und mitunter illegalisiert. Trotz dieser teils massiven Beschränkungen "(werden) in der Massenfront die wichtigsten und elementarsten Erfahrungen der Massen vermittelt (...) Dort wird die Erfahrung geschöpft, daß die 'FDGO' keine Demokratie ist, sondern die Besatzerdiktatur der Kapitalisten durch ihre Lakaien".

Ein ganz entscheidender Punkt für die Existenz einer "Volksmiliz", die Teil der Massenfront im Rahmen des Volkskriegs ist, ist der Aufbau eines möglichst engmaschigen logistischen Netzes. Die personelle Zusammensetzung und Funktion eines geknüpften und reißfesten Netzes wird eindeutig definiert: "Das Netz der Logistik besteht, wenn es irgend geht, aus Genossen, die noch nicht in den Untergrund gezwungen wurden; es schafft Verbindungen zwischen den einzelnen Gruppen. Es schafft die Voraussetzungen für Aktionen der Masse, welche von diesen noch nicht geschaffen werden konnten".

Von dieser "Volksmiliz" grenzt PPZ "die bewaffnete, taktische Einheit", d.h. die Stadtguerillagruppe ab: "Die bewaffneten, taktischen Einheiten bilden die politisch-militärischen Kerne der Volksarmee". Und das spezifische Aufgabengebiet fängt dort an, wo andere Widerstandsfelder des Volkskriegs aufgrund ihrer strukturellen Grenzen (z.B. Illegalität) nicht mehr agieren können. Bestenfalls setzen sich Stadtguerillagruppen aus erfahrenen Kadern zusammen, die in der Massenfront und Logistik breite Erfahrungen gesammelt haben. Vorteilhaft ist es zudem, wenn die AktivistInnen der Stadtguerilla noch nicht u.a. aufgrund von Fahndungsmaßnahmen illegalisiert sind. Dennoch wird man sich als Stadtguerillero/-a darauf einzustellen haben, in den Untergrund abtauchen zu müssen.

PPZ wendet sich gegen ein "martialisches Guerilla-Bild", das selbst in der revolutionären proletarischen Linken kultiviert wird. Hiergegen setzt er: "Guerilla, Genossen, das sind wir a l l e". Genauso wenig hält er von der Vorstellung, dass fundamental-oppositionelles Engagement etwas mit "Heroismus" zu tun habe. Im Gegenteil: "Das ist zähe Kleinarbeit. Das ist der Alltag der Revolution".

Die Aussage, dass "Guerilla a l l e sind" führt zu einer förmlichen Entgrenzung: "Guerilla, das ist auch die Betriebsguerilla. Ihre Aufgabe ist nicht nur die Sabotage. Sie sammelt Informationen, merkt sich die Stellen, wo der Werkschutz seine Ausrüstung hat, sie macht den Betrieb transparent". Neben der "Betriebsguerilla" treten im universitären Bereich "Wissenschafts- und Forschungsguerillas" an. In den Wohnquartieren etabliert sich sodann die "Mieterguerilla" usw. usf.

Die Problematik der inhaltlichen Ausführungen von PPZ besteht vor allem darin, dass seine "Vermassung" des Guerillamodells zu deutlichen Unschärfen führt. Die Abgrenzung zwischen Volksmiliz und Stadtguerilla verschwimmt dann, wenn beide unterschiedlich strukturierten Widerstandsfelder im Rahmen eines komplex organisierten Volkskriegs faktisch in einer Halbsatzkette zusammengelegt werden: "Hier setzt dann die Stadtteilguerilla, die Miliz, die Mieterguerilla mit neuen Kampfformen ein". Es ist einem Aufstandsmodell auf der Grundlage des Volkskriegs nicht damit geholfen, dass die tatsächlichen Differenzen zwischen einzelnen Widerstandsfeldern quasi per Ausruf "Guerilla sind wir alle!" (scheinbar) aufgehoben werden könnten. Nicht nur, dass PPZ in seinem Text an diesem Punkt selbst nicht stringent genug ist, gravierender ist an dieser Stelle, dass hierdurch die jeweils definierbaren konzeptionellen Grundlagen einer Stadtguerilla und einer Volksmiliz untergraben werden.

Zuzustimmen ist dagegen folgendem Punkt: Die Stadtguerillagruppe ist kein soldatischer Trupp mit Befehlshaber, sondern ein solidarischer Verbund von GenossInnen, deren bewaffnete Praxis nur dadurch gerechtfertigt ist, dass sie die soziale Revolution einzuleiten hilft, sprich auf die Aufhebung aller Herrschaftsformen des Menschen über den Menschen zielt. Die Stadtguerilla als "bewaffnete taktische Einheit" soll somit einen Hauch von Kommunismus vorwegnehmen: "Daher kann es innerhalb der Guerilla die Frage nach der Klassenzugehörigkeit nicht mehr geben. In der Guerilla gibt es nur noch eine Klasse: die Revolutionäre!" Dieser letzte Satz mit Ausrufezeichen bezieht sich sehr stark darauf, dass PPZ von einer, sagen wir mal, statistisch beweissicheren Angleichung der proletarisierten Lebensverhältnisse bspw. von GenossInnen mit akademischer Laufbahn und GenosssInnen mit einem Hintergrund eines Ausbildungsberufes ausgeht. Dadurch wird das zum Revolutionär-Werden zum Faktor, die wie auch immer geartete nicht-proletarische Klassenzugehörigkeit "aufzulösen".

Das Emanzipatorische der Stadtguerillapolitik und die Mittel-/Zweck-Relation liefert PPZ nochmals in zwei Sätzen: "Politische Linie und ethisches Kollektiv fallen in der konkreten Gestalt der Guerilla-Gruppe direkt zusammen. Die Aufgabe der revolutionären Gruppe bedingt die ihr zugestellten Mittel". D.h., dass die Stadtguerillagruppe kein Tummelplatz für durchgeknallte Pistoleros ist. In der konkreten Praxis der Stadtguerilla "hindert" die revolutionäre Ethik davor, fahrlässig bspw von der "Schußwaffe Gebrauch zu machen". Zum einen befinden wir uns nicht in einem C-Movie, zum anderen sitzen die "Spezialisten" der Killfahndung im staatlichen Repressionsapparat.

Basisgruppen und Bewegungstendenzen der revolutionären Linken machen vielerorts ihre Grenzerfahrungen, die u.a. auftreten, wenn der legale/legalisierte Boden politischer Betätigung nicht verlassen werden kann oder soll. "Die Guerilla kann" PPZ zufolge der "Massenfront" zur Seite springen und "die Lücken zwischen Ziel und Möglichkeiten einer Kampagne schließen". Diese "Schließfunktion" ist sicherlich eine Motivation und Option von Stadtguerillapolitik; sie ist damit aber bei weitem nicht ausgeschöpft, lediglich als Flankierungsmaßnahme von Aktivitäten von linken Basisbewegungen zu dienen. Dies scheint auch PPZ so zu sehen, wenn er schreibt: "Sie (die Guerillagruppen, Anm.) begreifen sich nicht als verlängerter bewaffneter Arm einer politischen Fraktion, sondern als bewaffnete Militante der Revolution".

Die verschiedenen Widerstandsfelder im Rahmen des Schemas des Volkskriegsmodells erfahren in konkreten Handlungen ihre Wechselwirkung und die Tendenz, auf unterschiedlichen Pfaden zu einer Einheit zusammenzulaufen: "Der Vereinheitlichungsprozeß und das Vorantreiben kann nur praktisch geschehen, in der revolutionären Praxis, in der Aktion - durch revolutionäre Intervention". D.h., die Praxis hat Vorrang; hierdurch sollen Spaltungslinien und faktische Unvereinbarkeitsbeschlüsse überwunden werden. In diesem Zusammenhang versteht man auch PPZ's Bezugnahme auf Regis Debrays sinngemäße Aussage besser, dass sich die Politik im Militärischen bis zu dem Punkt verkörpern muss, an dem sie als Sonderinstanz aufgehoben ist. PPZ bringt es letztlich auf die Lernformel: "Aus der Niederlage lernen, heißt: die theoretische Analyse mit der bewaffneten Linie verschmelzen". Die inhaltlich-theoretische Beschäftigung findet hier nicht in einem Elfenbeiturm mit steiler Wendeltreppe statt, sondern steht in einer direkten Verbindung zum eigenen revolutionären Tun. Hinsichtlich der Frage des koordinierten Zusammenspiels mehrerer Komponenten des revolutionären Widerstands kommt das Verhältnis zwischen Autonomie und Einheit zum Tragen: "Massenautonomie der Guerilla-Autonomie entgegensetzen zu wollen, ist", so PPZ, "sowohl geistiger salto mortale wie auch schlicht dumm. Das eine muß das andere bedingen". Ziel ist es, "daß die Avantgardeaktionen von gestern die Massenaktionen von heute sind".

Wie verhält es sich überhaupt laut PPZ mit dem Phänomen "Avantgarde zu sein"? Antwort: "Innerhalb des Kampfes und nur durch den Kampf entstehen die Avantgarden: Eine Avantgarde weist sich durch Praxis aus, nicht durch Selbstbenennung. Wir erleben Avantgarden in jeder Phase des Kampfes und in jeder Klasse. Jeder einzelne Kampf schafft seine Avantgarde. Etwas anderes behaupten, liefe auf ein pseudo-anarchistisches Trauma hinaus". Insbesondere fallen jene Kräfte aus den Reihen der revolutionären Linken mit Sicherheit auf die Nase, wenn sie sich anmaßen, eine Vorreiterrolle schlecht zu spielen. Zumal die Protestentwicklung, die sich zum manifesten Widerstand zuspitzt, keine selbst ernannten "Regisseurlnnen" braucht: "Die linken Militanten erlebten in einigen Kämpfen, daß das schon kämpfende Volk in der Art kämpft, daß es das linke Lager hinter sich läßt".

PPZ weist auf das große Manko hin, "daß keine der revolutionären Organisationen bislang in der Lage war, in den sog. 'Ruhezeiten', nach revolutionären Aufschwüngen, Bewußtsein zu vertiefen, den Kampf weiterzuführen auf neuer höherer Ebene, theoretische und praktische Konsequenzen zu ziehen". Es ist wahr, dass in den politischen Talsohlen zuvorderst die selbst zerfleischende Diffamierung und/oder Resignation um sich greift. Diese Zeiträume werden leider viel zu wenig als das wahrgenommen, was sie ebenfalls für die revolutionäre Linke sein können: Phasen des Luftholens, der Besinnung, der Erholung und Vorausplanung.

Zur Diskussion: Revolutionäre (Gegen-)Öffentlichkeit und das "Konzept klandestine Zeitung"

Wir wollen es bei diesem Text über die "FIZZ" nicht nur bei einem Portrait eines nur noch bedingt bekannten Blatts aus der linksradikalen Underground-Presse belassen. Insbesondere vor dem Hintergrund der deutlichen Zunahme der Kriminalisierung linker Medien der letzten zwei Jahre und unseres Versuchs, ein "Konzept klandestine Zeitung" auszuarbeiten, wollen wir in diesem abschließenden Abschnitt einige Fragen und Antworten hinsichtlich einer "revolutionären Presse" einwerfen, die aus vergangenen Erfahrungen unserer Meinung nach abzuleiten sind. Papierne Medien waren in der Zeit der 68er-Revolte und in den Folgejahren vermutlich die bedeutendste Quelle der Informationsübermittlung. Anders als im Zeitalter der virtualisierten Medienwelt dürfte die Herausgabe, der Vertrieb und die Diskussion über bestimmte Inhalte von "Revoluzzer-Postillen" für die politische Breitenwirkung zentral gewesen sein. Die (zensierte, illegalisierte) Zeitung ist demzufolge als das zentrale - vor allem auch - organisatorische Verbindungsstück zwischen Angehörigen und SympathisantInnen einer spezifischen Linie im Spektrum der revolutionären Linken anzusehen.

Der permanente Verfolgungsdruck und die regelmäßigen Zensurmaßnahmen gegen "unliebsame Medienangebote" machten es erforderlich, in den Jahren nach den ersten Gehversuchen der linksradikalen "Untergrundpresse" die zu erwartende Kriminalisierung durch verschiedene Momente des Selbstschutzes abzumildern bzw. ins Leere laufen zu lassen. Neben den innerredaktionellen Konflikten waren die staatsanwaltschaftlichen Repressalien ein wesentlicher Faktor der Existenzgefahr einer Zeitung des "Polit-Undergrounds", zumal wenn sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit den Weg von unter der Ladentheke auf den WG-Tisch finden sollte. Die Dauer-Kriminalisierung der "FIZZ", aber auch der "Agit 883", brachte konsequenterweise die Grundsatzfrage auf, ob "revolutionäre Inhalte", die eine unterschwellige bis glasklare praktische Handlungsanleitung und Organisierungsaufforderung transportierten, legal herausgegeben und vertrieben werden können. Eine Frage, die ganze Diskussionsabende der MacherInnen entsprechender Zeitungsprojekte bestimmt haben dürfte ...

Einen "Fall" wollen wir gesondert herauspicken, der die Konfliktlinien innerhalb eines Zeitungsprojektes hinsichtlich der Herstellungsweise und der Vertriebsart zeigt. In der Endphase der Berliner Underground-Zeitung "INFO-BUG", die 1974 mit ihrem Erscheinen begann, folgte im Zuge der enormen Steigerung staatlicher Repression während des sog. Deutschen Herbstes 1977 eine Welle von Ermittlungsverfahren gegen vermeintliche MacherInnen, z.T. nach dem 1976 neu eingeführten §129a wegen "Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung". Am spektakulärsten war in diesem Zusammenhang die Inhaftierung von vier DruckerInnen der AGIT-Druckerei in Berlin-Schöneberg, bei der das "INFO-BUG" gedruckt wurde. Da es aufgrund der "halbklandestinen" Redaktion kaum möglich war, einzelne Menschen, die redaktionell an dem Blatt arbeiteten, konkret "dingfest" zu machen, wurde kurzerhand an den DruckerInnen des "INFO-BUG" ein juristisches Exempel statuiert. Dies war das erste Mal, dass in der bundesrepublikanischen Repressionsgeschichte DruckerInnen nach §129a angeklagt wurden. Im Februar 1979 verurteilte das Berliner Kammergericht (vergleichbar mit den Oberlandesgerichten in anderen Bundesländern) die vier AGIT-Drucker zu Haftstrafen ohne Bewährung zwischen 9 und 12 Monaten. Das Staatsschutzurteil beruhte auf den "Straftatbeständen der Befürwortung von Straftaten, der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und Billigung von Straftaten sowie der Werbung für terroristische Vereinigungen".

Der Repressionsschlag gegen die DruckerInnen verunsicherte das Redaktionskollektiv zusehend. In der Redaktion war ein Streit darüber entbrannt, wie der (Selbst-)Schutz für das autonome Medien-Projekt "INFO-BUG" aussehen kann, um sich besser vor den staatanwaltschaftlichen Fangarmen sichern zu können. Hierbei gab es wenigstens zwei Fraktionen, zumindest zwei, die sich klar abgrenzbar gegenüberstanden. Die einen, der mehrheitliche Flügel, setzten auf eine nicht-klandestine, legale Erscheinungsweise, der andere Flügel, wollte einen klandestinen zensurfreien Raum, in dem auch die Selbstzensur keinen Platz mehr haben sollte. Diese widerstreitenden Interessen mündeten in einer Spaltung, d.h. zwei faktisch miteinander konkurrierende Blätter der "undogmatischen" radikalen Linken erschienen ab Herbst 1977 parallel.

Die "legale" Fraktion, die fortan das "BUG-INFO" herausbrachte, schrieb hinsichtlich ihres Selbstverständnisses: "nur eine öffentliche zeitung kann einigermaßen weit verbreitet werden (...) dazu gehört auch, daß man/frau die zeitung öffentlich jeden sonntag am mehringdamm layoutet, damit jeder die möglichkeit hat, an dieser zeitung mitzuarbeiten (...) solange man/frau die möglichkeit hat, noch eine öffentliche zeitung herzustellen, sollte man/frau sie auf jeden fall nutzen".

Nach dem innerredaktionellen Bruch verstieg sich der "BUG-INFO"-Kreis zu diffamierenden Titulierungen gegenüber den "INFO-BUG"-MacherInnen. Diese seien demnach "arrogante Untergrundkämpfer","Konspi-Abenteurer" und das "INFO-BUG" sei als eine "verschüchterte Geheimzeitung" anzusehen.

Allerdings sei angemerkt, dass die MacherInnen des "BUG-INFO" in ihrem selbstgewählten "offenen Rahmen" versuchten, (Gegen-)Öffentlichkeit zu organisieren. In den 44 erschienenen Ausgaben (Zählweise 1001 bis 1044) der Jahre 1977/1978 wurden Prozesserklärungen politischer Gefangener der bundesdeutschen Guerillagruppen RAF und Bewegung 2. Juni ebenso abgedruckt, wie verschiedene Kommuniques dieser Gruppen (bspw. die Erklärung der Bewegung 2. Juni zum Verrat von H. J. Klein) oder einzelne Beiträge zu revolutionären Organisationen und Befreiungsbewegungen in allen Teilen der Welt (so zum sahrauischen Widerstand der Frente Polisario in der von Marokko besetzten Westsahara oder ein Interview mit einem Aktivisten der argentinischen Guerilla "Montoneros", die u.a. während der Zeit der Militärjunta 1974-1983 agierte). Allerdings war auch das Scheitern des "BUG-INFO' vorprogrammiert, denn ein legales, von Repressionen verschontes Erscheinen war und ist unter den Bedingungen der agilen staatsanwaltschaftlichen Zensurbehörden illusorisch. Da wird jede Fehleinschätzung über die vermeintliche Ausreizbarkeit legaler Spielräume nicht nur teuer, sondern man knallt vor allem unsanft auf den Boden der realexistierenden Klassenjustiz auf. Lehrgelder sind genug bezahlt und Blessuren ausreichend davongetragen worden...

Wir setzen an dieser Stelle einen Punkt, da es in diesem Beitrag nicht vorrangig um das "INFO-BUG" gehen soll. Wir haben aber deshalb diesen über 30 Jahre zurückliegenden Konflikt um die Frage des "Konzepts klandestine Zeitung" aus dem "Archiv des kollektiven Gedächtnisses der revolutionären Linken" geholt, um aufzuzeigen, dass diese von jeher eine strittige ist. Insbesondere wenn unsere fundamental-oppositionelle Presse eine gewisse Breitenwirkung erfährt bzw. an neuralgische Punkte herangeht, wird sie strafrechtlich verfolgt, um sie über diesen Hebel mundtot zu machen.

Revolutionäre (Gegen-)Öffentlichkeit wird kaum mit dem Katalog bürgerlicher Rechte aufwarten können, da eine Presse, die die bestehende "Freiheitlich Demokratische Grundordnung" (FDGO) abzuschaffen wünscht, nicht unter der schützenden Hand der bourgeoisen Klassenjustiz existieren kann. Sie würde sich selbst in eine große Verlegenheit bringen, wenn sie diese Schutzgarantien einklagen wollte. Und überhaupt, welche Instanz sollte einer sozialrevolutionären und antiimperialistischen Propaganda und Agitation in diesem etablierten Klassenstaat wohlgesonnen gegenüberstehen?

Für eine revolutionäre (Gegen-)Öffentlichkeit kann es also keinen "legalen Status" geben; alles andere ist Augenwischerei und verrät ein äußerst eigentümliches Verständnis von der eigenen "Rolle" als Medium der revolutionären Linken. Wer/welche das allumfassende Umwerfen der bestehenden Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse u.a. mit Hilfe eines "kollektiven Propagandisten, Agitators und Organisators" (Lenin) sowie eines "literarischen Freischärlers" (Most) auf sein Schild hebt, braucht nicht verwundert in der Gegend herumzustarren, wenn die repressiven und ideologischen Staatsapparate sich als Inbegriff der (präventiven) Konterrevolution zeigen.

Wenn demnach mit einem solchen alternativen Presseerzeugnis kein "legaler Status" von "Rechtswegen" zu erlangen sein wird, bleibt nur die offensive Gestaltung eines zensurfreien und selbstbestimmten publizistischen Forums. Und dieses wird dann mehr oder weniger von dem staatlichen Einblick geschützt werden müssen. Dieser "Blickfang" vor den "geheimnisumwitterten" Strukturen eines Organs der revolutionären Linken soll nicht nur das unbesehene Herstellen und Vertreiben der Publikation garantieren, sondern auch den potentiellen Zugriff des Staatsapparats ins Leere laufen lassen. Die beste Situation ist es, wenn die staatlich besoldeten HäscherInnen ziellos umherirren und blind herumstochern.

Ein Ergebnis der Kriminalisierung der Agit-Drucker ist, dass die gesamte Struktur einer Zeitung wie der "radikal" klandestin erfolgen muss. Das fängt bei den ersten in die Tastatur eingegebenen Sätzen eines Texte für die "Postille" an, führt über den Druckort bis zum Vertriebsnetz. Ein (sehr) hoher organisatorischer und logistischer Aufwand, der da zu betreiben ist. Aber anders lässt sich erfahrungsgemäß ein solches Zeitungsprojekt nicht lange halten; zumal es unverantwortlich wäre, ohne entsprechenden Vorlauf mit der Umsetzung einer klandestinen Publikation zu beginnen. Alle Beteiligten müssen den durch Erfahrungen gewonnenen Eindruck haben, dass an dem Projekt GenossInnen mitwirken, denen die strafrechtliche Brisanz gegenwärtig ist und auch die Bedeutung, die ein (regelmäßiges) Erscheinen eines Blattes wie die "radikal" für die revolutionäre Linke hat bzw haben kann.

Da stellt sich die "Gretchenfrage": Stehen Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis zueinander? Die Frage ist nur richtig gestellt, wenn sie im Zusammenhang mit der Auslegung des "Konzepts klandestine Zeitung" gesehen wird. Es handelt sich dabei nicht um ein um sich selbst kreisendes akademisches Fachblatt, welches sich die MacherInnen quasi als halbjährliches Geschenk selber überreichen. Das kann dann zu einer Gefahr werden, wenn sich ein ambitioniertes publizistisches Projekt in seinem selbst geschaffenen Zirkel zu verlieren droht. Zu Zeiten der Ausläufer der damaligen K-Gruppen ab Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre sind die als "Massenzeitungen" titulierten Lektüren zu reinen "Sektenblättern" mutiert. Der Abdruck von ausufernden internen Querelen über "Linienkämpfe" und gegenseitiges Angepisse zwischen verschiedenen Blättchen war ein sicheres Zeichen des Niedergangs.

In der Summe gibt es einen ziemlich schlichten Gradmesser, ob ein Blatt funktioniert oder nicht: entweder es wird vom "Zielpublikum" nicht nur angenommen, sondern im Rahmen der Möglichkeiten auch aktiv mitgestaltet oder es siecht dahin. Dieses Siechtum muss unweigerlich dazu führen, dass ein solches Blatt den nächsten Winter nicht heil übersteht; maximal ist vielleicht noch eine Verzögerung des einzugestehenden Endes herauszuschlagen, am Fakt der Zukunftslosigkeit gibt's im Ergebnis dennoch nichts zu deuteln. Das, was für eigentlich jede umgesetzte Zeitungsidee gilt, gilt auch unter leicht abgewandelten Formen für ein klandestines Blatt: fehlt der Resonanzboden, fehlt die Struktur, um die klandestinen Grundlagen der Publikation zu erhalten - der letzte Satz wäre somit geschrieben ...

Revolutionäre Linke (RL)
Frühjahr 2011

radikal 164