Kernprobleme der Zeit

Ich hab mich hier zurückgezogen, und hab das Spiel gespielt: Wie werd' ich unbekannt. Ich will nichts mehr wissen, Reporter raus, Fernsehen - garnichts ... äh, was fragen Sie da, ach uninteressant, ich bin für mich, ich zieh' mich in mich zurück, es ist auch gut, daß ich das mache, ich bin ja der Beste dafür, in die Innerlichkeit zu gehen, weil, wenn's bei mir deutsch wird - deutsche Innerlichkeit, da könnt Ihr sicher sein, da gibt's keine Zwanziger Jahre mehr und was danach kam, ja?

Also, ich BRAUCHE nicht zurück in die Öffentlichkeit, ich hab mich zurückgezogen, und BEGANN plötzlich zu arbeiten wie ein - wie ein Pferd, wenn es geistig arbeiten würde, ja. Also mit'm größeren Kopp begann ich plötzlich - die Nachrichten hab' ich immer gehört, Fernsehen nich, aber Radionachrichten, Zeitung gelesen, jeden Morgen frühstücken gegangen - sturheil durchgehalten - ja? - also ein Eremitendasein auf der Großstadtbasis. Ich wollte die Leute nich sehn, die mich sehen wollten, dadurch hab ich heute Schwierigkeiten das ist 'ne Schwierigkeit von mir -: wieder an meine Brüder und Schwestern ranzukommen, die sich ja von mir zurückgezogen hatten, ja? Auf meinen ausdrücklichen Wunsch. Aber ansonsten war ich VIEL öffentlicher in meiner Zurückgezogenheit als wie wenn ich da noch einige Auftritte - vielleicht skandalöser oder weniger skandalöser Art - gemacht hätte. Ich wäre total - wie soll ich sagen - eingegangen, wenn ich nicht aufgehört hätte, und so habe ich das Eingehen vermieden und habe tatsächlich überlebt ...

Ich sitze jetzt hier, die ganze Zeit in diesem Raum, auf diesem Platz sitze ich nun - äh, darf ich mal Auskunft geben - immerhin zehn Jahre, ja? Am Tage sieben Stunden nur auf diesem Platz. Und rede nicht, sondern schweige.

Konzentriere mich.

Die Arbeitslosen bringen das ja nicht bewußt. Die sitzen auf'm Stuhl, sitzen 'rum ... Das Schwierige ist die Langeweile, das Problem - da sind wir am Kernproblem der Zeit, an allem dran, das Erste ist das Schwierigste: Ach, der interessiert sich ja garnicht mehr für mich, früher hat er mich angelächelt. Ja? Komisch, da hab' ich doch was erreicht ...

Nee, aber das ganze Thema ist uninteressant, warum, weil wir heute in einer Zeit leben, wo man sich UNSICHTBAR machen kann, das ist ja wie "unbekannt". Ich kann über die Straße gehen - als NEUSS, und jeder sagt: "Eh, guten Morgen Wolfgang, mach die Pauke" - oder ich geh' über die Straße, so wie ick det will, ja, keiner sieht mich, ich seh' die andern, die sehn mich überhaupt nich'. Da ham wir ja "Wie werd' ich unbekannt" - mehr is'nich.

... Ich fühle mich ertappt. Es IST ein Spiel. Es ist ein ganz großes Spiel gewesen, ja, auch dieses Bild: Dies ist mein Kopp, jawohl, ich seh schon besser aus, ich weiß es. Wenn ich Zähne im Mund hätte, dann wär ich überhaupt schon wieder'n As, ein Superas, jeder würde sagen, unser Spitzenkabarettist, der muß aber voll wieder in die Leistungsklasse rein oben, gleich wieder an die Spitze wie bei Hertha, ja!

Also, dies IST ein Spiel. Man sieht doch - jeder Mensch, der Augen hat zu gucken, sieht doch: Daß Gott DAS nicht alleine läßt, so'n Wrack, da kommt doch was drunter vor, da arbeiten doch Typen an dem Mann. Wir ham alle gelacht, als wir das Bild das erstemal im Stern gesehen haben, ja? Wir haben gesagt: Großartig.

Ich allerdings, persönlich, hab' gedacht: Mein Gott. Ich müßte ja vom Gesundheitsministerium das Haschisch bekommen. Weil, ich bin ja ein abschreckendes Beispiel für die Gesellschaft, was Dolleres als mich gibt es ja gar nicht!

Selbst als Haschischraucher, also als Out der Gesellschaft, als verbotenes Subjekt, bin ich ja ein abschreckendes Beispiel, ja, und die Jusos, die reagieren auch so; selbst Willy Brandt sagt: "KÜMMERT EUCH DOCH MAL UM DEN NEUSS! Auch wenn der Haschisch raucht, der kann doch denken, bei dem ist doch was drin im Kopf!"

Dann sagen die Jusos: "Wir schließen uns dem allgemeinen Legalisierungswunsch nicht an, seht doch den Genossen Neuss, was aus DEM geworden ist."

SCHAUT EUCH DOCH DEN GENOSSEN NEUSS AN! WAS AUS DEM GEWORDEN IST!

Ja, Mann, kann ich da nur sagen. Ist das die Sozialdemokratie, die Schweine, die ich meine, die ich liebe, die regieren müssen, die hier - jetzt sogar anfangen wollen, mich ins Gefängnis zu sperren??

Ich müßte vom Gesundheitsamt geliefert kriegen: das Haschisch und jeden Tag 'n Bild, zahnlos, mach dich noch etwas häßlicher, etwas Maske machen, so: Ein Wrack, ein Drogenwrack, da habt Ihr's - und nicht mal Heroin und nicht mal Kokain, nur Haschisch! - Schaut euch dieses kaputte Wrack an!

Nun kommt aber der Kühn mit seinem Buch - ich hab ja hier geschrieben: "Kühn, du hast mich seriös gemacht, du kommst mit dem Interview her, und aus dem Unikum wird wieder'n brauchbarer Kabarettist sobald er von einem guten Freund oder von einem guten Bruder oder von einer guten Schwester wieder gelenkt, wieder in die Bahn ...."

Ich bin natürlich jetzt ein wildgewordener Handfeger sozusagen, auch vor 'ner Kamera, weil ich total entwöhnt bin, ja? Ich lasse immerfort 'ne Tirade ab, ich gebe keine kurzen Antworten, ich beantworte prinzipiell eigentlich gar nicht mehr Fragen, weil ich ja schon um die Fragen weiß -

Das Versteckspiel war deshalb: So wie ich gleich als Schöner Junger Mann, als Hippie - guck, der hat sich zwanzig Jahre verjüngt - hätten alle Kabarettisten erstmal Haschisch gerochen, alle Kabarettisten. Dadurch hätten wir gar keinen Halt mehr in der Scene, in der kabarettistischen Scene, gar kein Hanfseil mehr. Da ich das Handwerk - sozusagen auch äußerlich unbrauchbar -sozusagen verlernt habe, haben die gesagt:

"Oh, wir müssen aber jetzt doppelt arbeiten, der Neuss, der macht's nicht mehr. Der bringt's nicht mehr."

Das war sehr wirkungsvoll, pädagogisch Erste Klasse, wer mich da geführt hat, dem - äh, mein Freund Hammer, dem verdanke ich das - dem danke ich.

Aber - es war'ne schlimme Zeit, ich hab selbst manchmal gedacht: Mensch, verflucht, das ist doch nun nicht göttlich, wenn du den Leuten so'n Gesicht zeigen mußt, die müssen doch sagen: "IST DER MANN RUNTERGEKOMMEN." - Auch der Salvadore damals mit dem Buch, der hat mich ja absichtlich lallen lassen, weil er KEIN ANDERES Bild in seinem Kopf hatte als ein Wrack, ein Mensch, der sich aufgeopfert hat als Komiker, als Kabarettist, für die Menschheit - stimmt ja gar nicht ...

Wie Sie sagten eben: Es war'n Spiel. Ja? Ich bin auf dem Wege der totalen Gesundung. Ich hab' auch in dem Buch schon angekündigt, daß ich NACH der Legalisierung der Droge Cannabis SOFORT auf die Bühne springe und mein gesamtvolkswirtschaftliches Soll erfülle.

Das kann ich bringen, jederzeit. Ich bin doch nicht der letzte Dreck, daß ich nich' besonders auf die fette Margot steh'. Das kann ich jederzeit bringen, ich bin ja auch ein Komödiant, die sind ja meist alle komödiantisch, die Texte, und man könnte heut sogar ein Kabarett mit diesen Texten ausstatten, und könnte ein brillantes Kabarett machen, wo man sagt: "Eh, das ist ja TOTAL AKTUELL!", kann man alles machen.

[Bild "Der Mann mit der Pauke", rauchender, kraushaariger J.Hendrix mit Trommel]

Aber das ist ja gar nicht die Zeit für sowas, ist uninteressant, es ist nur wichtig: Die Sechziger und die Fuffziger Jahre, das sind ja nicht die Zwanziger Jahre - wie wir BALD merken werden, ja?, ganz schnell merken werden. Das sind unsere WICHTIGSTEN Jahre, die jetzt wieder VOR uns liegen, die Fuffziger und Sechziger Jahre:

als ACHTZIGER und NEUNZIGER JAHRE.

Warum? Wir haben wieder die Situation: Wir sollen uns vorstellen, geistig: Es wäre wie nach '45, sagte der Stücklen, der Bundestagspräsident ... Stellt euch vor, Leute, wir müssen arbeiten wie nach '45. - NA HERRLICH, sage ich, wir ham keene Ruinen und müssen trotzdem so arbeiten, ist doch gut ... das kommt also jetzt.

Also die Gruppe 47, die werden ja noch irre Bücher rausbringen, das ist ja in der Literatur. - Ich bin ja unterhalb der Literatur angesiedelt, ich misch' mich ja immer nur rein in die Literatur, und benutze sie nach Herzenslust! Um mal so zu sagen: Wie ein Geier bin ich, ja? - Wie ein Literaturgeier bin ich. Wenn ich irgendwo was sprachlich gut formuliertes findet, pieke ich zu und -- hab's schon im Kabarett.

'Ne Afterkunst, ja? ... Wo ich geiere? - Bei Karl Kraus geiere ich natürlich, aber erst nachdem ich Tucholsky natürlich ausgegeiert habe. Das gefällt mir eigentlich nicht, weil Geierei - da sind wir jetzt zufällig draufgekommen -- Ich verliebe mich in solche Texte, das macht ja jeder. Ich hab's nur BEWUSST drauf, die andern machen's unbewußt.

Sie verlieben sich in eine Stelle bei Thomas Mann - und wiederholen sie unbewußt in Ihrem Leben.

Ich KLAUE das bewußt. Ich sage: Das ist ja ein wunderbarer Satz. Wie heißt denn der. Der Satz heißt:

DER MANN IST NICHT GANZ BEI SICH.

Na, in DEN Satz hab' ich mich verliebt. "Der Mann ist nicht ganz bei sich." Das ist doch ein wunderbarer Satz, muß man sich mal überlegen: DER IST NICHT GANZ BEI SICH.

Und was mach' ich dann mit so'm Satz, von Tucholsky ist der meinetwegen: Na, den behalt ich. Warum? Wie ist die Begründung für so'ne Art von Diebstahl? - Oder Karl Kraus jetzt, ja? -- Na, die Begründung ist, daß dieser Mann, als er das dachte und schrieb, eine Verbreitung WOLLTE - und ich verbreite es, ich mach' für den Reklame - ohne Quellenangabe, denn dem Mann, dem kam's ja darauf an, daß der Satz ankommt, und nicht, daß der Neuss damit Geld verdient - also kann ich's ohne Quellenangabe machen.

Tucholsky kam's darauf an, daß er benutzt wird - und nicht, daß er besessen wird. Ja? Der wollte kein Goethe, wollte kein Besitz sein, von den Deutschen, der wollte benutzt werden und WILL benutzt werden. Der Tucholsky will benutzt werden -- und der NEUSS will benutzt werden. Ja, warum soll ich denn nicht benutzt werden, ich bin ja den Leuten VIEL NÄHER als Tucholsky!

... Ein Satz von Theresa Angeloff, nich' von mir ...

Mit Quellenangabe, immer fein, piekfein ... Kommen wir zurück zur Geierei.

Der Flick darf nicht mehr besitzen, der muß benutzt werden, der Flick. Die Startbahn West sollte gebaut werden und benutzt werden. Denn die Leute vergessen immer:

Die Startbahn West (zum Beispiel), das AKW Heilbronn, sollte gebaut werden. Warum? Denkt doch mal an die alten Straßenbahnen. Haben wir nicht Sehnsucht nach der Pferdebahn? Oder nach den Elektrischen von früher??

Das werden die Elektrischen des nächsten Jahrhunderts, die Atomkraftwerke und die Startbahn West, das sind alles Dinge, die der MENSCHLICHE GEIST sich ausdenkt, und wir dürfen nicht voller Verachtung auf diesen Geist gucken, der sich das ausdenkt ... auf die Ingenieure!

Heute gehen die Leute und sagen - mit schäumendem Mund: "DIE BÄUME!!! DIE MÖRDER!!!" - Ich sage: "Feine Ingenieure, die es piekfein bringen, so'ne Startbahn West. Man muß auch mal das Andere sehn - ohne Börner zu sein, oder irgendeiner zu sein - sondern man muß als Grüner auch mal sehn: "Laßt doch die Bäume da. Erstmal pflanz ich heute gleich mal wieder drei, aber, laßt doch mal die Bäume da, für die Flugzeuge, laßt doch ruhig das Kerosin da mal runter gehn, laßt doch mal -- wir erkennen doch den MENSCHEN zuerst mal an, und dann erst den Baum."

Das geht doch nicht, daß da --- also, der menschliche Geist muß doch erstmal anerkannt werden. Und der menschliche Geist erkennt - bei mir - auch die Neutronenbombe an.

Denn - sagense nicht, ich bin'n Irrer - ich finde Egon Bahr unmöglich, zum Beispiel, mit seiner "Perversion des Geistes bei der Neutronenbombe" -- Der Karabiner 98 K, lieber Egon, ist eine Perversion des Geistes - verstehste?, und die Schußwaffen hier zu tragen, ist eine Perversion des Geistes, aber nicht die Neutronenbombe. Das ist eine Leistungswaffe! So wie ich Leistungskabarett mache, Herr Egon Bahr!

... Leistungskabarett ist, wenn man sieht, was die anderen machen, sich hinsetzt und sagt, das will ich nicht machen, aber ich baue doch - also wie Japanisch - ich baue auf den andern - Hildebrandt, Degenhard, ach was sag ich, Degenhard mit Hildebrandt, sowas paßt gar nicht zusammen - Hildebrandt, äh ... Polt - nee, der paßt auch nicht zu Hildebrandt --- Ich merk grade, Hildebrandt ist einmalig ... also Wolfgang Neuss nicht, also bitte bitte bitte, Ja? -- Ich bin ja wohl'n bißchen über Hildebrandt, also das geht ja nun nich , - so isses nich. Über bin ich natürlich nicht.

Also den Hildebrandt zum Beispiel kann ich nie über haben. Dem kann ich stundenlang zuhören und weiß doch wie ich's besser mache - und umgekehrt genau das selbe: Der kann mir stundenlang zuhören und weiß doch wie er's besser macht, also eine starke Persönlichkeit des öffentlichen Unrechts, der Hildebrandt, ein starker Hetzer, Ketzer, übrigens im Letzten, mit dem Strauß --- der Strauß ...

Der Strauß ist unser liebstes deutsches Kabarett, was wir haben. Und der Hildebrandt pflegt ihn, indem er ihm jetzt nochmal Energie gegeben hat, mit diesem Kanal, ja? Wobei der eigentliche Skandal ja erst sein wird, wenn der gute Dieter Hildebrandt, mein Lieblingsscheibenwischer, plötzlich dafür verantwortlich ist, weil Fünfhunderttausend Leute im Rhein-Main-Donau-Kanal protestieren - ganz anders als bei der Startbahn West, die ja mit meiner Genehmigung gebaut wird -, aber der Kanal -- issn Skandal.

DER IST'N SKANDAL, da gibt's nix, da muß ich sogar schon lachen, was für'n Skandal DAS ist, und da ist das, wie die sich benehmen da, die Minister, und wie die ihre Schecks verteilen, garkein Skandal, da ist die Korruption ein WUNDERBARER GROSSER GROSSZÜGIGER FREIER FLUSS von Geld und Information über eine Gegend, na, die - verschandelt und versaut ist garkein Ausdruck - was die da machen: Tausend Jahre, muß man überlegen, ham die Leute sich zurückgehalten, und ham gesagt, nein, unsere Langeweile kann noch so groß sein, wir bauen den Kanal nicht.

--- Ich hab' geweint, als ich das gelesen habe, weil ich gedacht habe: "Mein Gott, war ich mal paranoid, ja? Daß ich nur diese Richtung immer gesehen habe ... Ich sag' ja, wer Politik macht, und'n asexueller Mensch ist oder auch sogar nicht mal erotisch ist, nichts, ja? - wer also sich um die Allgemeinheit dafür kümmert, weil er dieses Leben nicht hat --- dann hat der doch einen Teil seines Intimlebens nach außen gekehrt, sozusagen. Das gehört ja immer zum Kabarettisten: Daß er einen Teil seines Ehelebens der Öffentlichkeit opfert, sozusagen.

Übrigens, das muß ich gleich auch mal dazu sagen, das haben wir schon 1952 bei den Stachelschweinen, lange bevor die Kommune 1 mit Teufel, Langhans und Janine und diesen ganzen Leuten am Stuttgarter Platz war, haben wir schon gemerkt: Wir können solche intimen Sachen wie das Kabarett auf der Bühne garnicht mehr bringen, ohne nicht mindestens zusammen zu essen, zusammen zu schlafen, zusammen zu trinken.

Was noch zusammen? Na - was wir noch machen, wenn wir diese Texte machen: zusammen sitzen den ganzen Tag - und die ganze Nacht - also zusammen leben. Also verheiratet sind.

Das ist der Reiz des heutigen Kabaretts auch. Wenn ich wieder Kabarett machen würde, müßte es schon 'ne kleine gute, schicke, dufte,gemütliche Familie sein - und ich würde'n gutes gemütliches Familienkabarett machen, also öffentlich - ich wüßte auch, dafür gibt's Publikum.

Aber für so'ne Schandschnauze, der böse ist, der also auf der Bühne nur noch verzerrt - wie jetzt zum Beispiel, ich hab immer noch die alte Form drauf, leider, das heißt, ich muß noch 'ne Weile alleine hier sitzen und arbeiten an mir, weil ich ja immer noch böse bin, ja?

Wie gesagt, heute - würde mich schon sehr verlocken, ich mach's natürlich auf keinen Fall, ich halt mich da an einen Ausspruch von Friedrich Luft, den der vor fuffzehn Jahren gemacht hat, als er seine Nach-Hippiezeit hatte, ja? Da sagte der auf der Straße: "Eh, Neuss! Nicht mehr soviel machen, lieber erzählen, was man machen wollte." Und das ist natürlich 'n Satz, wo der Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff natürlich 'n Schlaganfall kriegt, wenn der den Satz hört, ja?

"Deutsche, eh! Nicht mehr so viel machen, nur noch erzählen was man machen WOLLTE!" --- Das ist doch'n fürchterlicher Satz, damit könnense doch schon wieder'n ganzes Kabarett füllen, mit dem Satz.

Da sag' ich zum Fußball eigentlich nicht viel, ne. Ich sage höchstens zum Fußball ... etwas, was ich auch zur Sowjetunion sagen würde: Man muß den Fußball sozialisieren. Man muß auch die Sowjetunion sozialisieren, mein' ich, ganz ehrlich. Die ist ja VÖLLIG materialisiert, es ist nichts zu machen, es müssen Leute in dieses Land, in die Sowjetunion, und auch in die Fußballmannschaften, die ooch mal'n Gedicht machen. KEINE INTELLEKTUELLEN! 'N Gedichtmacher ist ja noch lange kein Intellektueller, nich. 'N Intellektueller ist ja einer der seinen Samen aus dem Sack zu höchstem Geist und Gedanken und Worten verarbeitet hat. Das ist'n Intellektueller, der weniger gefickt hat, zu Deutsch. Aber - ein Gedichtemacher, das kann ein ganz einfacher Junge sein, Autoschlosser, der jetzt als Fußballer Filmstar wird -- Paul Breitners Gedichte: wart ich immer noch, Rumenigges Gedichte: wart ich immer noch, ja? Weiss ... ach, nichts mehr, Maggi-Gedichte kommen da raus, Dr. Oetker-Pudding-Gedichte kommen da raus, aber sonst nichts mehr.

Mit der Philosophie sind wir schwach besetzt, was? Schwache Philosophen im Lande. Nä? Bloch ist tot. Bloch war ja nun ein ewiger Philosoph und bleibt es durch dieses kleine Wörtchen "Prinzip Hoffnung", damit hat er sich in die Herzen der Massen geschlichen, ja, mit diesem kleinen Wörtchen. Ach, das ist manchmal so einfach, da würde die Frau sagen "Bärlein, Bärlein, gedichtet haste das nich, philosophiert haste das auch nicht, was haste denn das? Gehofft haste das!"

Und so isses gekommen - so ist der Mensch konzipiert, wenn jemand so'n Ding bringt wie "Linke Hand am linken Griff" oder "Prinzip Hoffnung" oder "Die Unfähigkeit zu trauern" --- das ist ja nun --- der hat das Buch geschrieben, nachdem ich's erlebt habe. Also ich hatte - mein Partner ist mit'm Flugzeug abgestürzt, und ich muß lachen, ja. Nun ist das natürlich 'ne Schutzbewegung, des Geistes wahrscheinlich, dies Lachen ...